14.4.07

Wozu dieser Blog?
Die Öffentlichkeit besteht aus einem Monolog von „Fachleuten“ aus der Mittelschicht. Menschen, die unterhalb ihrer Stellung arbeiten, finden keinen Ausdruck.
Ich berichte hier ausgehend von meinen Erfahrungen am Fließband über meine Gedanken, die ich bei dieser Arbeit habe. Auf Grund meiner persönlichen Geschichte sind es vor allem politische Gedanken, die sich um die Möglichkeiten einer Arbeiterbewegung, Bedingungen von Sozialismus und Reflexionen über die Neue Linke nach 67 bewegen.
Ich werde noch ca. 400 Arbeitstage oder 2 Jahre arbeiten, bis ich in den passiven Teil der Altersteilzeit gehe, also meine aktive Arbeiterkarriere beende.

Wer bin ich?
Ich bin 57, männlich, arbeite aktiv bis zu Beginn der Ruhephase meiner Altersteilzeit 2009 am Fließband, dazugehörigen Maschinen und Prozessen. Ich habe eine akademische Ausbildung, nahm teil an der Bewegung der antiautoritären Neuen Linken und habe nach Uniabschluss gearbeitet als: Lehrer in der dritten Welt, Baufacharbeiter, Chemiefacharbeiter, in der Metallindustrie, Sicherheitsdienst. Auf Grund von Rationalisierungen habe ich vor 4 Jahren meinen letzten Job verloren und als Ersatz diese letzte Arbeit angenommen – mit entsprechendem Lohnverlust. Weil ich neben meiner arbeitenden Frau mit zum Unterhalt meiner Familie mit zwei Kindern beitragen will. Die Firma, in der ich jetzt arbeite, hat verglichen mit ihrer Konkurrenz relativ akzeptable Bedingungen, ist etwas anders – „liberaler“ -, was Führung und Management angeht. Einmal darin, dass es Jobrotation gibt – ich arbeite wechselnd an 5 verschiedenen Arbeitsplätzen -, dann gibt es jedes Vierteljahr Abteilungsversammlungen mit den neuesten Entwicklungen, manchmal auch unseren Themen. Insofern ein nicht ganz typischer Betrieb. Da ich trotzdem nicht sicher vor Repressionen sein kann, ist mein Bericht etwas verschlüsselt, um meine Identifizierung zu verhindern. Sobald ich meine Arbeitskarriere beendet habe, werde ich detaillierter berichten.
Ich arbeite in Teilzeit, in der Regel nachmittags. Anders habe ich diesen Job nicht bekommen. Anfangs war ich sauer darüber. Inzwischen sehe ich darin Vorteile und habe versucht, sie zu nutzen. Geld? Netto ca. 550€ im Monat.
Eine andere wichtige Sache: Wir leben ohne Auto, machen alles mit Rad, zu Fuß, mit Bus und Bahn – leben allerdings in einer Konglomeration von ca. 100 000 Einwohnern, wo eigentlich alles ohne Auto erreichbar ist.
Außerdem leben wir im selbstgebauten Haus. Nachdem wir Mitte der 80er aus dem Ausland zurückkamen, hatten wir fast nichts. An sparsames Leben in der 3.Welt und durch unsere Sozialisation gewohnt, hatten wir keine großen Probleme, das zu finanzieren. Meine Frau hatte nach Umschulung einen Job mit Durchschnittsverdienst, ich sorgte für die Kinder und baute das Haus. - Die Leute hier leben im Überfluss, ihr Problem ist ihre geistige und menschliche Armut.

Für wen schreibe ich?
Natürlich für alle, die unzufrieden mit der gegenwärtigen Lage sich Gedanken machen, wie eine neue linke Bewegung aussehen soll. Oft denke ich an ehemalige Freunde seit 67, die größtenteils eine gute Idee verraten haben. Es ist also auch immer ein Stück Polemik.
Andererseits ist meine Lebenszeit begrenzt. Realistischerweise muss man davon ausgehen, dass sich nicht viel verändern wird, schon gar nicht fundamentale Dinge wie eine gesellschaftliche Demokratisierung. Ich werde mich also darauf beschränken müssen, die notwendigen Bedingungen einer politischen Veränderung zu formulieren.
Ehrlich gesagt: die Zukunft lässt nicht viel Hoffnung zu. Die Trends – formuliert von der Mittelklasse - sind andere. Wir Sozialisten sind eine aussterbende Gattung, eine aussichtslose Minderheit. Wie kann man überleben?
Es geht in unseren Bereichen dabei weniger um das physische Überleben, mehr um die sinnlose Zeit, die vergeht, bis sich etwas zum Besseren verändert. Vielleicht muss die Menschheit noch viele Generationen sich leer im Kreis - durch Kriege, Depressionen und Hochkonjunkturen - drehen, bis wieder ein kleiner Fortschritt stattfindet.

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