15.4.07

20.11.2006

Meine Kritiker könnten mir Ressentiments gegen die Mittelschicht vorwerfen, dass ich sie zu wichtig nähme, es sie überhaupt nicht gäbe usw., aber heute morgen höre ich in der Presseschau:

„…eine intakte Mittelschicht ist der Kitt, der alles zusammenhält“, meint die Süddeutsche.

"Die Mittelschicht ist erneut der Dumme, der immer wieder aufkommen muss für die Verfestigungen und Fehlentwicklungen im unteren Drittel der Gesellschaft.“ (Natürlich die 'Welt', zuständig für den morgendlichen Blödsinn)

"Dabei hatte der europäische Sozialstaat die enorm wichtige Funktion, die Mittelschichten mit der Arbeiterschaft zu verschweißen." Tony Judt in der Süddeutschen vom 07.12.2005


Was habe ich gegen die Mittelschicht?
- ihr aufgeblasenes rassistisches Selbstbewusstsein, sich konstitutiv für Gesellschaft überhaupt zu fühlen, als Lehrer, Pfarrer, Journalist, Meinungsmacher, Politiker
- ihre Partizipation an gesellschaftlicher Herrschaft
- ihre bürgerliche Verfasstheit, d.h. bürgerliche Ideologie bei gleichzeitigem Monopolkapitalismus. Das bedeutet, dass obwohl sie Parasit des Monopolkapitalismus ist, als Staatsbeamter, Politiker usw. bei den anderen die bürgerliche Ideologie der individuellen Schuld und Verantwortung und “Freiheit“ verbreitet. Propaganda bürgerlicher Ideologie durch die Medien, die sie in der Hand hat, bzw. bedient.
- Verachtung der körperlichen Arbeit, Hierarchisierung der Gesellschaft, Privilegien
- Sie organisiert die Gesellschaft nach den Interessen ihrer eigenen Schicht: Schule, öffentliche Medien, Staatsbeamtentum, Politik
- Sie ist nicht vertrauenswürdig. Ihre Individuen werden immer versuchen in eine führende, elitäre, eben bürgerliche Position zu kommen.
In einer Namensliste der 68erElite finde ich einen Bekannten, zugerechnet nun zu der „postmaterialistischen Wertelite“, aus vermögendem guten Hause, beteiligt an einem der markantesten und ekelerregendsten Ereignis der Studentenbewegung 1969, dann aktiv in einem Maktforschungsinstitut. Heute also gegen soziale Sicherheit, postmaterialistisch (also gegen die Arbeiter- und Unterschicht), für Lebensqualität (also gutverdienend). Und die schöne Vokabel „selbstreflexiv“ meint wahrscheinlich, dass man darüber selbstbeweihräuchernde Bücher schreibt.
Wolfgang Kraushaar "1968 als Mythos, Chiffre und Zäsur"(2000):
"Meine Hypothese lautet: Die einstmalige Antielite der 68er-Bewegung ist weder zu einer Funktionselite noch zu einer Führungselite, auch nicht zu einer Weltanschauungselite mutiert, sondern zu einer Werteelite anderen Typs. (...).Die Werteelite anderen Typs steht (...) nicht für Auslese, sondern für Vermittlung anderer, nichtmaterialistischer Werte. Ihr geht es nicht in erster Linie um die Wahrnehmung von Macht, auch nicht um die Erringung von Aufmerksamkeit, sondern um die Durchsetzung von Einfluß im Sinne der Ausprägung ziviler Wertvorstellungen.Mittels ihrer Multiplikatorenrollen im Bildungs-, Medien und Kulturbereich haben die Exponenten der 68er-Bewegung Schneisen in die traditionalistische, von den Bedürfnissen nach Sicherheit geprägte Wertelandschaft geschlagen und selbstreflexiven, postmaterialistisch orientierten Wertemustern, in deren Zentrum die Lebensqualität steht, zum Durchbruch verholfen. Ich halte es deshalb für angemessen, hier von einer postmaterialistischen Werteelite zu sprechen."

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