15.4.07

5.11.06

Eine andere Theorie für meinen blöden Affekt: Ich erwarte Gefolgschaft (er ist jünger etc.). Das ist doch eine typische Mittelschichtseinstellung. Hatte ich nicht nach dem endlich erfolgreichen Streik, den ich als einziger durchgehalten habe, dieses erhebende Führer-Gefühl.
Ein anderes Problem: das Leiden an der Arbeit, die Monotonie der Arbeit, die sich immer wiederholenden Arbeitsvorgänge, die endlosen Wiederholungen, nur lästige Störungen, die die Arbeit erschweren. Einerseits gibt das Sicherheit, andererseits befriedigt es das menschliche Bedürfnis nach Überraschung, Neuerung und Neugier überhaupt nicht. Es erzeugt Langeweile und Desidentifikation genauso wie es Identität erzeugt. Die Desidentifikation wird sichtbar in dem Absentismus, der Schlampigkeit, dem Drang nach Freizeitkultur oder Freizeitkonsum. Die Arbeit reproduziert sich nicht nur immer, sondern produziert auch zunehmende Disqualifikation in dem Maße wie sich die Technologie und Gesellschaft entwickelt und sich die eigene Qualifikation nicht mehr weiterentwickelt. Stillstand der eigenen Geschichte. Aus der Monotonie der Arbeit ergibt sich das Bedürfnis nach einem selbstbestimmten Raum der Unterhaltung, sprich Fernsehen, je tiefer unten um so mehr: von 167 (Akademiker) über 210 (Durchschnitt) bis 317 (bei Arbeitslosen) Minuten am Tag. (Man stelle sich vor: 4 Stunden!) Ältere Alleinstehende über 6 Stunden.

Die Passivität, die Reduktion aufs Zuschauen, das Gefühl der Ohnmacht, die Angst, sich zu blamieren, das Gefühl, dass jede Aktivität sinnlos bleibt, dass der Einzelne nichts wert ist und nichts ausrichten kann, also das was man auch politische Apathie nennt ist das Resultat einer mangelnden Bildung, sprich: aktive Disqualifikation durch die herrschenden Klassen in den gesellschaftlichen Institutionen wie Betrieb und Schule. Es erscheint dem Einzelnen als Gefühl der Machtlosigkeit und schlägt gesellschaftlich um in Machtverlangen Einzelner, in die Orgien der Macht in Kriegen, in den Massakern, trägt bei zu den klischeehaften Identifikationen mit den Mächtigen und Erfolgreichen (von Führer, Massenpartei, erfolgreichen Fußballklubs etc.).
Wie diese Ohnmacht durch Medien reproduziert wird und wie sie aufgebrochen werden kann, das würde ich gerne in diesem Blog analysieren.
1. Bewusstsein von der eigenen Ohnmacht und den sie bedingenden Machtverhältnissen. Eine Analyse freilich, die diese Verhältnisse nicht nur reproduziert.
2. Wo nichts zu machen ist auf Grund der Machtverhältnisse und objektiven Bedingungen, da klar machen gegen die bürgerliche Aktivitäts- und Macherideologie, dass nichts zu machen ist, dass die Lage relativ ausweglos ist.

Zu dem „Was tun?“: müsste man auch an die damaligen Nöte der 68er einnern, den Arbeitern konkret zu sagen, was sie tun sollen. Tips damals:
- sich an ihren Demos beteiligen, das haben sie auch gemacht und teilweise recht militant,
- an Schulungskursen teilnehmen für das „richtige Bewusstsein“
- irgendeiner Partei zujubeln (gut ich wähle die Linke, aber ohne Überzeugung: bildungsbürgerliches Volk, das auf die Zustimmung der bürgerlichen Medienelite schielt, Keynesianismus statt radikaler Ökonomiekritik etc.)


Heute bei den ARD-Nachrichten: Bischof Huber über den Unterschichtenbegriff:
„Er warnte vor einem missverständlichen Gebrauch des Unterschichtenbegriffs.
Huber sagte, er habe die Sorge, dass damit das Bild von Menschen erster und zweiter Klasse verfestigt werde. Damit würden "Menschen scheinbar an ihre derzeitige schwere Lage so angekettet, als lasse sich daran nichts ändern", warnte der Berliner Bischof vor dem EKD-Kirchenparlaments.“

Das ist typisch bürgerliches Geschwätz. Welche Schlüsse zieht denn Huber aus seiner Analyse: fordert er gleiche Bildungschancen, Umverteilung, fundamentale Mitbestimmung? Sein Ziel ist die Ausweitung der Caritas, die Kontrolle der Armut durch die sozialarbeiterliche Mittelschicht. Sicher, er spricht von “Teilhabe“, aber hat es eine konkrete Bedeutung? Stellt er die Eigentumsverhältnisse in Frage? Stellt er das Wirtschaftssystem in Frage, das notwendigerweise Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung bewirkt?

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