25.6.09

Niedergang der Sozialdemokraten

Ist die Rechtsbewegung der SPD und damit einhergehend ihr Versinken in der Bedeutungslosigkeit Resultat der Verbürgerlichung der Wähler oder können die Wähler sich in dem bürgerlichen Gesicht der SPD – Mitte, Mitte!! … - nicht wiedererkennen? Soll man der rechten Politik der SPD die Schuld für ihr Verschwinden geben oder der Verbürgerlichung ihrer ehemaligen Wähler, dem Strukturwandel der Qualifikationen und Arbeitsverhältnisse? Ein solcher Strukturwandel wäre etwa die finanzielle Sicherheit, die Qualifikation, die eine Integration in das arbeitsteilige System des modernen Kapitalismus mit sich bringt und zu einer gehobenen und integrierten Stellung bei der Arbeit führt.
Ich denke, die SPD hat aus den Reformjahren nach 68 erkannt, dass sie die kapitalismuskritische Bewegung, die sie anführen und initiieren könnte, ab einem gewissen Grad nicht mehr kontrollieren kann, schon weil sie Forderungen unterstützt, die nur ein funktionierender Kapitalismus befriedigen kann. Zu einer Alternative zum Kapitalismus will sie sich nicht bekennen, weil sie damit wieder einen Teil der Wähler verlieren würde. Sie kann also tun, was immer sie will, sie ist dazu verdammt, entweder als Linke eine nicht mehrheitsfähige Politik zu machen oder Schattenpartei der Bürgerlichen zu werden – mal mit mehr, mal mit weniger eigenem Profil.
Es hat also keinen Sinn, auf der SPD herumzuhacken, ihr das oder jenes vorzuwerfen, es ist einfach ihr Schicksal. Zwar kann man mit etwas Moral und Intelligenz die SPD nicht unterstützen – aber Moral und Intelligenz ist nicht mehrheitsfähig.
Wir Linksradikalen, die wir gerne der SPD einen sozialistischen Kurs verpassen würden, haben uns in den privaten Karrieren, die wir eingeschlagen haben, als durch und durch bürgerlich erwiesen. Wir hatten keine Konzepte, die egalitär waren und die Emanzipation der Arbeit/Arbeiter im Zentrum hatten. An der SPD war die Masse interessant, aber nicht zu dieser Masse zu gehören. So wie KH Roth missionarisch vom „Massenarbeiter“ sprach, aber nie einer war.

3.6.09

Zimbabwe

Derzeit ist die Situation schwer einschätzbar. Da ist nur ein gewisses Gefühl in mir, dass die Sache nicht gut gehen wird, sich nichts Positives entwickeln wird.
Meine Sympathien sind für die MDC, aber es stellt sich immer mehr heraus, dass sie kein Konzept für die weitere Entwicklung besitzt. „Für jeden eine Farm“ war eine nette Parole, aber im Zusammenhang mit dem Entwicklungsstand Zimbabwes, seiner Verflochtenheit mit der Weltwirtschaft, der Abhängigkeit von der Cash- und Exportökonomie einfach unbrauchbar. Die im Rahmen der „Landreform“ zugeteilten Plots von manchmal 700 m² sind nicht Nichts, aber für eine Volkswirtschaft nur ein schlechter Witz.
Die MDC spielt immer wieder mit dem Konzept der Afrikanisierung, zumindest die rassistische Hälfte seiner Aktiven. Das bedeutet: Betteln um Gelder aus dem Ausland, keine eigene wirtschaftliche Entwicklung abgesehen von Bierproduktion – inzwischen in der Hand von Südafrika – subsistence economy plus cash-Produkte (Tabak, Baumwolle).
Die „inclusive government“ von MDC und Zanu macht die politische Schwäche des MDC sichtbar, die sich auf Grund mangelnder Unterstützung von Südafrika alle Machtspielchen von Zanu gefallen lassen muss. Schlimmer noch die moralische Verkommenheit von Teilen des MDCs, die sich von Gono Autos etc. schenken lassen.
Einiges spricht für die MDC: Etwa dass Tsvangirai moralisch durchhält. Sein pazifistisch-christliches Konzept verfolge ich gespannt. Wird er Mugabe zur Legalität - heißt: niemand soll gefoltert werden, alle gleichberechtigt behandelt werden – bekehren können? Ich weiß, dass bewaffneter Kampf gegen Zanu und für eine sozialistische Wirtschaft die Gefahr enthält, dass wie bei Zanu die Gewalt die Vernunft zerstört und am Schluss nur noch ein Gangstertum herrscht. Ein Gangstertum, das sich dann originär „afrikanisch“ preist.
Wie ist es zu beurteilen, wenn ein Enkel Tsvangirais im häuslichen Pool ertrinkt, während gleichzeitig Tausende in derselben Stadt an Cholera sterben? Wenn Tsvangirais Kinder im Ausland studieren und gleichzeitig das Bildungssystem im Land verrottet?
Südafrika ist kein Vorbild. Mandela mag zwar ein Held sein, aber außer Hautfarbe hat er kein politisches Konzept. Vielleicht ist er Bürgerrechtler – für die schwarzen Eliten - aber kein Sozialist. Die Afrikanisierung der Ökonomie bereichert kurzfristig die schwarze Mittelschicht, bedeutet aber nach deren Übernahme ihren Niedergang. Von dem Reichtum wird unten nichts ankommen. Was ist das für ein Land, in dem die Weißen zwar einen Großteil des wirtschaftlichen Reichtums (mit)produzieren dürfen, aber sich über 1000 Morde in den letzten Jahren gefallen lassen müssen? (Inzwischen - 1.6.10 - wird von einer Zahl von über 2000 gesprochen.) Langfristig und gerade nach der Wahl von Zuma ist eine Entwicklung wie in Zimbabwe oder im Kongo zu erwarten. Jeder, der entschuldigend vom Erbe des Kolonialismus redet, bestätigt die Machenschaften der Neokolonialisten.

(Ein aufklärender Artikel über den Neokolonialismus des ANC in der FTD.)
Bin ich Rassist? Wenn jetzt in Zimbabwe die Besetzungen der weißen Farmen weitergehen, wie ist das zu beurteilen? Ist es nicht gut, dass die „Unterdrückten“ und „Ausgebeuteten“ sich ihr ursprüngliches Land wieder aneignen? Aber die schwarzen Farmarbeiter, die dort arbeiten, werden vertrieben und verlieren nun alles: Lohn, Schulen, medizinische Versorgung etc. Wer bekommt danach die Farm? In der Regel irgendwelche Zanuhengste, Richter, Staatsanwälte etc. Die Farmen, von sogenannten „Veteranen“ übernommen, dümpeln auf Subsistenzniveau weiter. Gefängnisinsassen dürfen fürs Überleben auf den neuen Farmen arbeiten; die, die nicht schon vorher in ihren Zellen verhungert sind, wie die 700 in Harare im letzten Jahr. Eine Zeitlang war Zimbabwes Hauptexportgut Aluminium, das aus der Demontage der Bewässerungsanlagen der enteigneten weißen Farmen gewonnen wurde.
Ich habe mir vorgestellt, nach Ende meiner Arbeitszeit am Band, eventuell nach Zimbabwe oder Nachbarschaft zu gehen, eine Landwirtschaft zu kaufen, mit Jugendlichen von Zimbabwe mit einfachen Mitteln was aufzubauen, wo sich lernen lässt, wie man mit eigener Arbeit überleben kann und sich die Kenntnisse der modernen Gesellschaft aneignen kann. Aber nicht nur die Bettelpolitik der MDC bringt mich davon ab, es sind auch die Bilder etwa von Jugendlichen in Messina. Ihnen lässt sich ansehen, wie sie an den Versatzstücken der westlichen Konsumprodukte orientiert sind, und es erscheint schlecht vorstellbar, dass diese – gewöhnt nur an Rumhängen - sich anstrengen wollen. Abhängig von der amerikanischen Lebensmittelhilfe und Verwandten und … Schicksal, dem bösen oder guten Wirken der Ahnen, die sie mit Diamanten oder westlicher Medizin beschenken.
Meine gute Botschaft von der Arbeit wird dort auf keinen fruchtbaren Boden fallen. Die Krise der letzten Jahre hat einerseits die moralischen Grundlagen der Gesellschaft zerstört – wer überleben will, muss sich kriminell und asozial verhalten – sondern auch die Schwäche dieser Grundlagen offen gelegt.
Finanzielle Hilfen würden einerseits nur eine falsche Politik unterstützen, in die fetten Bäuche der Gangster fließen - andererseits ermöglicht die Verweigerung von Intervention die wachsende Weltbarbarei.