24.9.08

FINANZKRISE - Warum mich das nicht interessiert

Die Konkurrenz der bürgerlichen Klasse, innerhalb der bürgerlichen Klasse, also jene, die Kritik an den herrschenden Politikern und Medien betreiben – meist von links, oft auch nur von irgendwoher – kann derzeit befriedigt feststellen, dass es so kommen musste, dass es nicht anders zu erwarten war und dass sie es schon immer so gesagt hätten. Bis in die Faz ist von der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus die Rede. Manche Mutige munkeln gar was von Zusammenbruch.
?
Krise? Vielleicht sieht es so aus. Aber solange die von unten nicht die Krise produzieren, durch ihre Kritik, ihre Aktionen und ihre konkreten Alternativen, ihren Willen, die Produktion in die Hand zu nehmen, ihr eine selbstbestimmte Richtung zu geben, sich auf eine gerechte Verteilung von Arbeit, Produkten, Ressourcen verständigen – solange kann von wirklicher Krise keine Rede sein.

Eine solche „Krise“ ist nur Anlass für konkurrierende Machtspielchen, kluge Kommentare von Besserwissern. Mit dieser Krise wird die Intelligenz des Kapitalismus locker fertig, mal ein bisschen staatskapitalistisch, mal ein bisschen neoliberal. Nicht dass sie nichts kostet und dass nicht „die da unten“ sie zu bezahlen hätten - vielleicht trifft es auch ein paar da oben oder welche mittendrin – aber das ist eben der Preis der proletarischen Abhängigkeit vom Kapital, seinen Waren, seiner wunderbaren Welt.

15.9.08

MODERNER RASSISMUS

In einer harmlosen Meldung meldet der DLF am 8.9.08 um 12 Uhr:
„Elterngeld wird in jedem zweiten Fall als Mindestsatz gezahlt
Rund die Hälfte aller Bezieher von Elterngeld erhält lediglich den gesetzlichen Mindestsatz von 300 Euro monatlich. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, haben seit Einführung des Elterngeldes im Januar 2007 etwa 350.000 Mütter und Väter diesen Betrag bezogen. Das entspricht einem Anteil von 47 Prozent. Bei den übrigen 53 Prozent berechnete sich das Elterngeld nach dem vorherigen Einkommen und lag damit höher. - Das bis zu 14 Monate lang gezahlte Elterngeld löste das Erziehungsgeld für Geringverdiener ab, das bis zu drei Jahre lang gezahlt wurde.“
Es bedeutet, dass mit dem bei den unteren Einkommensklassen gesparten Geld die oberen finanziert werden. Es ist die gleiche Mafiastruktur wie in der Dritten Welt. Nur wird hier Besitz, Reichtum und Macht mit legalen Mitteln, unblutig, an die herrschende Klasse transportiert. Medien, Besitz und Parlament ersetzen Kalaschnikow oder Axt.


Was dagegen tun?

7.9.08

EIN FERIENARBEITER

Letzte Woche hatte ich es mit einem Ferienarbeiter zu tun, Student in irgendeinem technischen Fach. Zuerst nervt mich allein seine Anwesenheit, dann schließlich die Art, wie er arbeitet – so wie meine Kollegen, schlampig und ineffektiv. Irgendwann wird es mir zuviel und ich zeige ihm, wie ich es mache und haben will. Ich bin in die Autoritätsrolle reingerutscht und behandle ihn so meckerig wie einen Sohn. Der Chef schickt ihn herum und ich hol ihn zurück, sag ihm, er solle sich nicht um den Chef kümmern; der verstehe ohnehin nichts. Ich wundere mich über mich, wie ich in diese Rolle komme.
Der Chef ärgert sich schon lange über mich. Ich zeige ihm, dass ich seine Eingriffe für dumm halte. Obwohl eher ängstlicher Menschentyp bin ich da respektlos. War aber auch schon bei Lehrern so. Sie witterten in mir trotz der braven Fassade immer den Rebellen und mochten mich nicht. – Der Chef versucht mich auszuschalten: nimmt mir die kleinen ehrenwerten Jobs ab, wie Computer abspeichern, ausschalten, gibt den Schlüssel an andere, obwohl der Nächste ich wäre. Besprechungen dann, wenn ich nicht da bin. Ich spüre das, vertraue aber auf meine Schlussrede und Abrechnung bei meinem Abschied.

Die Szene mit dem Ferienarbeiter, der nach einem neuen Anschiss von mir beleidigt sich in eine andere Abteilung verdrückt, erinnert mich an meine ersten Kämpfe mit Arbeitern, die ich mit 24 begann. Vorher hatte ich immer nur Respekt und Devotion für ihre Macken. Ließ mir einiges gefallen, wollte ihren Missmut verstehen. Dann hatte ich es mit einem Vorarbeiter zu tun, der mir wie üblich nichts richtig erklärte, dem ich es aber auch nie richtig machen konnte. Zugegeben, damals war ich körperlich überfordert. Aber ich habe ihn dann mal angeschrieen, war nicht nett. Er war dann ruhig, hat aber erreicht, dass ich in eine andere Abteilung kam: ein kollegiale Gruppe von 12 Arbeitern, Wechselschicht. Ich hatte Glück und es war eine gute Erfahrung. Ich ließ mir aber auch dort nichts mehr gefallen, weder von den Türken, noch von den Meistern. Nach einem dreiviertel Jahr wurde die erste Abteilung aufgelöst und mein ehemaliger Vorarbeiter kam in meine Gruppe. Jetzt war er der Lehrling. Erzählte von Stalingrad, wo er mit Pickeln die vereiste Erde aufhacken musste, um Leichen zu begraben. Sein Leben nach Stalingrad war wohl nur noch ein Versuch, aus dieser Todeszone heraus zu kommen. Mein Bild von ihm veränderte sich. Später rettete er sich als Pförtner in die Rente.

Mein Ferienarbeiter wird dann später irgendwo in diesem Medienbereich arbeiten, wo dieser Unterhaltungs- und Informationsschrott produziert wird, mit dem uns die Medienmogule unsere Gehirne zumüllen, dass wir nicht zu Sinnen und auf eigene Gedanken kommen. Weil nur passiv und nur arbeitsvermeidend anwesend, wird er mit dem Ergebnis, Arbeit sei schweißtreibend, monoton und laut, in das Leben gehen und seinen Herren danken, davon befreit zu sein.