7.9.08

EIN FERIENARBEITER

Letzte Woche hatte ich es mit einem Ferienarbeiter zu tun, Student in irgendeinem technischen Fach. Zuerst nervt mich allein seine Anwesenheit, dann schließlich die Art, wie er arbeitet – so wie meine Kollegen, schlampig und ineffektiv. Irgendwann wird es mir zuviel und ich zeige ihm, wie ich es mache und haben will. Ich bin in die Autoritätsrolle reingerutscht und behandle ihn so meckerig wie einen Sohn. Der Chef schickt ihn herum und ich hol ihn zurück, sag ihm, er solle sich nicht um den Chef kümmern; der verstehe ohnehin nichts. Ich wundere mich über mich, wie ich in diese Rolle komme.
Der Chef ärgert sich schon lange über mich. Ich zeige ihm, dass ich seine Eingriffe für dumm halte. Obwohl eher ängstlicher Menschentyp bin ich da respektlos. War aber auch schon bei Lehrern so. Sie witterten in mir trotz der braven Fassade immer den Rebellen und mochten mich nicht. – Der Chef versucht mich auszuschalten: nimmt mir die kleinen ehrenwerten Jobs ab, wie Computer abspeichern, ausschalten, gibt den Schlüssel an andere, obwohl der Nächste ich wäre. Besprechungen dann, wenn ich nicht da bin. Ich spüre das, vertraue aber auf meine Schlussrede und Abrechnung bei meinem Abschied.

Die Szene mit dem Ferienarbeiter, der nach einem neuen Anschiss von mir beleidigt sich in eine andere Abteilung verdrückt, erinnert mich an meine ersten Kämpfe mit Arbeitern, die ich mit 24 begann. Vorher hatte ich immer nur Respekt und Devotion für ihre Macken. Ließ mir einiges gefallen, wollte ihren Missmut verstehen. Dann hatte ich es mit einem Vorarbeiter zu tun, der mir wie üblich nichts richtig erklärte, dem ich es aber auch nie richtig machen konnte. Zugegeben, damals war ich körperlich überfordert. Aber ich habe ihn dann mal angeschrieen, war nicht nett. Er war dann ruhig, hat aber erreicht, dass ich in eine andere Abteilung kam: ein kollegiale Gruppe von 12 Arbeitern, Wechselschicht. Ich hatte Glück und es war eine gute Erfahrung. Ich ließ mir aber auch dort nichts mehr gefallen, weder von den Türken, noch von den Meistern. Nach einem dreiviertel Jahr wurde die erste Abteilung aufgelöst und mein ehemaliger Vorarbeiter kam in meine Gruppe. Jetzt war er der Lehrling. Erzählte von Stalingrad, wo er mit Pickeln die vereiste Erde aufhacken musste, um Leichen zu begraben. Sein Leben nach Stalingrad war wohl nur noch ein Versuch, aus dieser Todeszone heraus zu kommen. Mein Bild von ihm veränderte sich. Später rettete er sich als Pförtner in die Rente.

Mein Ferienarbeiter wird dann später irgendwo in diesem Medienbereich arbeiten, wo dieser Unterhaltungs- und Informationsschrott produziert wird, mit dem uns die Medienmogule unsere Gehirne zumüllen, dass wir nicht zu Sinnen und auf eigene Gedanken kommen. Weil nur passiv und nur arbeitsvermeidend anwesend, wird er mit dem Ergebnis, Arbeit sei schweißtreibend, monoton und laut, in das Leben gehen und seinen Herren danken, davon befreit zu sein.

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