18.4.07

08.04.07

Ute Scheub hat im DLF einen Karfreitagsvortrag über das Opfer gehalten. Im Meisten bin ich einverstanden. Das Opfer als Mittel andere zu erpressen. Die Opferhaltung, die verfestigt wird, weil es sich damit schuldfreier und verantwortungsloser leben lässt. Die Religion, die mit Opfern schlechtes Gewissen erzeugt, und so Herrschaft ausübt.
Aber dann kam die merkwürdige Sache mit den Frauen, mal sind sie Opfer, mal werden sie immer zu Opfern gemacht, - da kommt dann doch das gewohnte Opfergejammer. Selbstmordattentäter sind Machos. Und Israelis, diese Nation von Killern und Knochenbrechern? Will die Scheub wieder, diesmal mit Broder von der Opferrolle in die Täterrolle wechseln?
Dann die Stelle mit dem Kaiserschnitt, der also endlich den Frauen Gebären ohne zu sterben ermöglicht hätte. Das ist Blödsinn: der Kaiserschnitt war bis in die Neuzeit tödlich und hat auch heute noch mehr tödliche Folgen als eine normale Geburt. Aber es ging der Scheub darum, diese Bedeutung des Schmerzes für überflüssig zu erklären, der immer wieder den Opfermythos begründet.
In Afrika sagen die Frauen zu Europäerinnen: Weil Ihr bei der Geburt nicht gelitten habt, deswegen liebt ihr Eure Kinder nicht. – Ich weiß nicht, ob das wirklich so ist. Es geht mir jetzt darum, dass durch Schmerz oder Schuld entstandene Beziehung, meinetwegen Täter – Opfer, Kind – Mutter usw., heute um das bereinigt werden soll. Anders gesagt: Wir sind nicht autonome Individuen auf einer Insel, sondern wenn wir geboren werden, in einen Zusammenhang von Geben und Nehmen verstrickt oder eingebunden. Die bürgerliche Illusion ist, daraus sich emanzipieren zu können über eine Sache: das Geld. Wenn ich einen Laptop kaufe, wird mir die Beziehung, die ich zu Chinesinnen eingehe, die sich kaputt schuften und die ausgepresst werden wie Zitronen, nicht sichtbar. Ich habe es nur mit Dingen zu tun: Geld, dem Produkt als Ware.
Man soll keine Schuldgefühle haben dürfen: In einer Sendung erzählt eine Frau, dass sie ihre demente Mutter ins Heim gebracht hat, sich gar nicht wohl fühlt - sagt der Moderator, ja ja die Frauen in ihrem falschen Opferbewusstsein, sie glauben, das dürften sie nicht. Ruft eine Amerikanerin an, meint: es ist ja auch nicht richtig, seine Eltern in ein Heim abzuschieben. – Meines Erachtens hat sie da den richtigen Punkt erwischt. Ich will jetzt keine Vorwürfe machen denen, die nicht mehr anders können. Meine Eltern sind gestorben, bevor sie pflegebedürftig hätten sein können. Aber es findet eine Glorifizierung von Lebensformen statt, die ein solches Abschieben dann notwendigerweise erzwingen.
Ich denke, dass mit dem Beseitigen von körperlichem Schmerz, der körperlichen Arbeit – sei es als Fantasie, sei es mit Hilfe der Erdölökonomie – auch die natürliche und soziale Realität verleugnet werden soll: Dass wir in Beziehungen von Nehmen und Geben leben, in einem globalen Schuldzusammenhang, dem von vorausgegangen und folgenden Generationen.
Die physische Erfahrung von Schmerz ist das Einfallstor der Realität. Die narzisstische Blase will aber, dass außerhalb ihrer Illusion nichts existiert.

Ich habe die Sendung noch einmal gehört. Es ist soviel Unsinn darin, zuviel um ins Detail zu gehen. Hauptfehler: Es gibt keine Gesellschaft ohne „Opfer“, ohne Schuld, ohne verpflichtende Beziehungen, schon gar nicht in einer ungerechten Gesellschaft. Worum es geht, ist der rationale Umgang damit. Das Beispiel mit Südafrika ist gut. Wie sie schön sagt: „Wenn Täter ihre Taten nicht leugnen, sondern Verantwortung für sie übernehmen, dann gewinnen sie ihre Menschlichkeit zurück und die Opfer ihre Würde.“

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