15.4.07

10.12.2006

Ein Beitrag von Christel Dormagen über ihre schlimmen Kindheitserziehung, Erziehung zu Geiz (die Familie musste in den 50er Jahren ohne TV auskommen) und Lüge (Spiegeleier wurden „Hühnerbraten“ genannt) und sexistischer Ungerechtigkeit (der Vater hat Speck zum Ei bekommen). Sie sieht diese kleinbürgerlichen Untugenden mit den Augen ihrer vornehmlich großbürgerlichen Freundinnen. Ich sehe meine Theorie bestätigt, dass sich das Kleinbürgertum, heute die „Mittelschicht“, sich orientiert am herrschenden Großbürgertum. Heute ist das Großbürgertum nicht mehr als produktive Kapitalistenklasse erkennbar, es erscheint nur noch als klassenunspezifisches Konsum- und Wertemilieu, verteidigt von der propagandistischen Mittelschicht. Das bedeutet: Betonung von Liberalität, Großzügigkeit, gehobenem Konsum, Lebensqualität, Nichtarbeit (vor allem nicht-körperlich) vorgetragen von den Feuilletonisten, liberalen Lehrern, Alt68ern, Feministinnen usw.
Die Werte von Sparsamkeit und Ökonomie haben für diese Schicht keine Bedeutung mehr, sie haben angesichts ihres Einkommens und Vermögens an praktischer Bedeutung verloren, sie sind nur noch Zeichen einer kleinlichen und peinlichen Klassenherkunft. Das Jammern über die Armut ist die Kehrseite dieses Konsummilieus, die armen HartzIVler, die armen Rentner usw. Die konsumistischen Sozialarbeiter brauchen diese als Objekt ihrer Großzügigkeit, um sie mit den Gaben zu beschenken, die sie sich aus dem von der internationalen Arbeiterklasse erarbeiteten Mehrwert abgezweigt haben.
Man wird mir Übertreibung vorwerfen. Aber man muss es erlebt haben: Sozialarbeiter fahren mit ihrer Klientel 200km in eines der teuersten Kleidungsgeschäfte des Landes. Oder: eine Sozialbefürsorgte muss alle Mühe aufwenden, um ihre Sozialarbeiterin davon abzuhalten, mit ihr Kleidung einzukaufen, weil sie mit ihr keine Hose unter 80€ kaufen kann.
Also Sozialismus bedeutet Armut? „Armut“ – was ist das?

Ich denke, es zeigt sich da eine geschlechtsspezifische Differenz: da das Ressentiment, hinter dem die grenzenlose Gier, der Wunsch nach Sonderstellung und Verwöhnung ist. Auf der anderen Seite die Identifikation mit den Anforderungen eines Systems, wobei diese Identifikation auch eine Identifikation mit dem Aggressor, eine repressive sein kann,.

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