30.5.07

30.05.07 „Hauptschüler als Unternehmer“

Kaum zu glauben im DLF heute das:
"Journal am Vormittag - Länderzeit
Hauptschüler als Unternehmer
In Berlin-Neukölln lernen Jugendliche wirtschaftliches Denken“
Moderation: Barbara Weber.

Derzeit nimmt die Zahl der Firmengründungen rapide ab. Warum? Die Zahl der Zeitarbeitsverträge hat zugenommen. Obwohl deren Lohnniveau unterhalb der Tarifverträge liegt, scheinen sie immer noch attraktiver zu sein als die Selbstausbeutung durch Firmengründung. Vorgestellte Modelle waren: Gebäudereiniger, Besticken von Jeans. Gefehlt haben noch die Friseusen, Vesandhausagenturen und andere Billigeinkommensnischen.

Warum eine solche Sendung von einem Sender, der ganz und gar keine Firmengründung kleiner Selbständiger ist?
- es ist die Mentalität der Mittelschicht, immer nach dem individuellen Vorteil zu suchen und deswegen besteht eine Verwandtschaft zum Kleingewerbe, zum „Unternehmertum“
- Diese Redakteure und Moderatoren des DLF stehen vor dem Problem: wie können die armen Kids von der Hauptschule in eine normale (bürgerliche) Laufbahn gebracht werden, dass sie sich für sich selbst verantwortlich fühlen. Anders gesagt, wie kann man die Frage nach der Verantwortung von Politik und Gesellschaft vermeiden.
- Die Mittelschicht fühlt sich an die globalisierten Märkte ausgeliefert. Nur mit viel Kreativität, Erfindungsreichtum, vielen neuen Ideen, kann sich Deutschland den neuen Märkten anpassen, natürlich auch lohnmäßig. „Lasst 100 Blumen blühen“ - Eine wird vielleicht schon überleben. So haben die Hauptschüler was zu tun und fühlen sich selber schuldig.
- Die reichen Steuerzahler müssen entlastet werden – von den aussortierten Faulenzern. Steuern senken für die „Teilhabenden“.
- Irgendwo träumen auch die institutionell zugebretterten Redakteure von der individuellen Freiheit. Der Schritt in die Freiheit der Selbständigkeit ist ein Traum in einer autoritär strukturierten Gesellschaft.

Schau ich auf meinen Betrieb, wäre die Abteilung mit ungefähr 40 Leuten besetzt, wenn die Maschine optimal ausgenutzt wäre. Die zentrale Maschine kostet ungefähr 1,2 Mio, die anderen kleinen und großen im Anschluss an sie noch einmal das Gleiche. Jetzt müsste man noch Gebäude usw. usf. dazurechnen. Ein solches Projekt hätte als Firmengründung eines Einzelnen überhaupt keinen Sinn, abgesehen davon, dass es nur die Konkurrenz innerhalb eines engen Markts noch verschärfen würde. Ein wirtschaftliches Überleben wäre nur möglich, wenn die Löhne gesenkt oder die Arbeitszeit entgeltlos verlängert würde.
Jemand, der sich seriös Gedanken über Wirtschaft und Gesellschaft macht, der also nicht nur im Bereich des ideologisierten Wunschdenkens lebt, kann diese Firmengründerideen zur Rettung des System einfach nicht ernst nehmen. Aber offensichtlich müssen nun für die Idee, dass Marktwirtschaft für alle sinnvoll ist, die Hauptschüler geopfert werden.
In der gleichen Zeit, in der sie Firmengründer spielen, sollen sie nicht auf die Idee kommen, nach ihren Rechten als Staatsbürger, nach Verantwortung der Gesellschaft für alle, ihre Rechte als Arbeitnehmer zu fragen, also sich mit der Realität ihres Lebens auseinanderzusetzen.

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