17.05.07 Bildung
Bruno Peisendörfer schreibt in „Pinocchios Begabung“: „Auch die Bildungsnahen, die links wählen, glauben zu wissen, was den Bifs aus gewöhnlichem Holz fehlt: Strebsamkeit, Frustrationstoleranz und die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub. Statt dem disziplinierten Hedonismus der Mittelschichten nachzuleben, sitzen sie mit Staatsknete alimentiert den lieben langen Tag im Jogginganzug auf der Couch und verfetten beim Unterschichtfernsehen, während ihre Bälger mit Ballerspielen den Amoklauf trainieren. ….Bildung ist jedoch nicht nur ein funktioneller Wert, sondern schließt geistige, seelische und ästhetische Dimensionen auf, deren Begreifen, Erleben und Genießen wertvoll in sich selbst sind.“
Der nicht uninteressante Artikel vergisst, dass Bildungsprozesse im bildungsfernen Bereich ganz anders aufbauen sollten: Wer sind wir im Unterschied zu den anderen, was führt dazu, wie wird es verändert? Ein neues Selbstbewusstsein, Klassenbewusstsein, ein kritisches Verhältnis zur bürgerlichen Kultur, neue Werte im Leben, ein Versuch anderer Beziehungen, eine andere politische Praxis. Ohne die Hoffnung auf Integration. Ein solcher Bildungsprozess würde sich um die Beantwortung folgender Fragen bemühen:
- Wie sieht die Arbeit aus, die nötig ist, um die Produkte zu produzieren, die wir benötigen?
- Welche Qualifikationen sind dafür nötig, soziale, technische?
- Welche gesellschaftliche Form, welchen gesellschaftlichen Status hat diese Arbeit?
- Was bedeutet diese Produktion für die Umwelt?
- Was impliziert sie an Ressourcenentnahme in Natur und Dritter Welt: Welches Konsumniveau kann sich die Menschheit leisten? Wie ist einfaches Leben möglich? (Einjahresfahrt in ein Land mit einfachem Lebensniveau)
- Die Problematik des Welthandels: Konkurrenz der Billigarbeit, Ausbeutung der Ressourcen anderer Länder, Imperialismus der industrialisierten Nationen
- Die Forderungen (und Geschichte) der Arbeiterbewegung, Betriebsdemokratie etc.
- Aktionsmöglichkeiten und Organisationsformen
Man kann mir vorwerfen, dass ich nicht die Aussichtslosigkeit dieser Art von Bildung mitdenke. Dass es notwendigerweise schief geht. Dass jemand, der so leben will, verloren und isoliert ist. Isoliert mit Bewusstsein, aber vielleicht säuft er (sich) ab.
Das Scheitern der Neuen Linken hat in den 80ern und 90ern Jahren ja auch dazu geführt, dass sich die Leute "individualisiert" haben und im privaten Konsum abgesoffen sind. Typisches Beispiel: die Lehrer, die am Freitag mit ihrem Wohnmobil zur Schule kommen. Die Arbeiter, die vor dem Fernsehen verfetten und ihren Protest nur noch durch Trillerpfeifen artikulieren können.
17.5.07
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