15.5.07

Hans Blumenberg

Blumenberg Hans

Einen Podcast des SWR über Hans Blumenberg gehört. Mehrmals angehört. Irgendwas stimmt in seinen Gedanken nicht. Da ist auf der einen Seite der „Absolutismus der Wirklichkeit“ – also die undurchschaubare und dunkle Realität ohne Sinnverweis mit all ihren Grausamkeiten – auf der anderen Seite die „Lebenswelt“ mit ihren Sinnvorgaben, Institutionen, Mythen und auch Techniken der Lebensbewältigung. Oder historisch: der Jäger in der gefährlichen Welt und demgegenüber in der Höhle: die Hüter, die Geschichtenerzähler, die Welt als Buch.
Dann aber Merkwürdigkeiten: Weil physikalisch keine Sinnvorgabe da sei, - wir Menschen uns nicht mehr in der biblischen Weltharmonie befinden - solle man sich in der Sinnenttäuschung üben. Gut, wir sehen uns jetzt in einem unberechenbar brodelnden Weltchaos. Aber wenn ein vertrauter Gott gestorben ist, dann muss sich unser Bezugssystem ändern, hin auf ein soziales Bezugssystem des Lebens.
Blumenberg freut sich, dass unser Planet Erde die einzige Basis von menschlichem Leben im Universum ist. Aber was wissen wir schon? Was würde es schon bedeuten? Warum der Glaube, der Wunsch nach Einzigartigkeit?
Verkehrte Welt auch in der Idee: zuerst geht die religiös-scholastische Welt unter, dann beginnen sich die Menschen auf der Erde einzurichten.
Merkwürdig auch das Verhalten von Blumenberg: weil er durch den Faschismus 8 Jahre
seines Lebens verloren habe, zwingt er sich, nur 6 mal die Woche zu schlafen, um dadurch die verlorene Zeit rauszuholen. Merkwürdiger Leistungszwang. Denke ich wahrer, wenn ich weniger schlafe, länger nachdenke?? Eine moderne Schlussfolgerung: weil meine Lebenszeit begrenzt ist, deswegen muss ich möglichst viel erleben, wach sein, möglichst viel diesem alles verschlingenden Gott Kronos abgewinnen. Moderne Auffassung oder antik? – Die ständige Steigerung der Geschwindigkeit im modernen Leben also eine Antwort auf die Relativierung der Menschheitszeit in der Geschichte des Universums?
Blumenberg hat einige Zeit nach dem Abitur als Einkäufer und Einkaufsleiter im Drägerwerk Lübeck gearbeitet. Als Halbjude wurde er von dem Firmeneigentümer
unterstützt, ebenso in seinem Studium. Aber warum soll das eine verlorene Zeit gewesen sein? Vielleicht war es die für seine Gedanken wertvollste Zeit. Ich möchte an V. Klemperer erinnern, dessen Tagebuch bedeutungslos wäre ohne seine Erfahrungen, die er zwischen 33 und 45 gemacht hat. Wäre er nur ein Romanistikprofessor geblieben, seine Berichte wären so überflüssig wie die seiner Kollegen.
Ist der von Blumenberg erfahrene Unsinn, den er auf das Universum projiziert, nicht der Unsinn einer gesellschaftlichen Erfahrung? Wäre es nicht sinnvoller, statt über Universum nachzudenken, sich mit seinem eigenen inneren Universum zu beschäftigen, seinem konkreten Leben und dem Universum der menschlichen Gesellschaft?
Was für eine seltsame Idee aus der physikalischen Umgebung einen Sinn herauslesen zu wollen und enttäuscht zu sein, wenn das nicht mehr klappt. Wir geben doch der Welt durch unsere Interessen, Bedürfnisse und Leidenschaften Sinn und Bedeutung. Es ist der innere Kompass in uns, der Richtung gibt, nicht eine Offenbarung von außen.
Diese Idee der Schlafunterdrückung zeigt, wie hier einer gegen seine Bedürfnisse lebt, in einer Abhängigkeit von äußerlichen Leistungszwängen.

In Blumenbergs Leben scheint die damalige Einweisung in das KZ und Arbeitslager. einen Riss in eine vertrauensvolle Sicht der Welt bewirkt haben. Es hat ihm auch das Vertrauen auf die eigene Autonomie und Person genommen und ihn auf eine negative Fixierung auf das Übermächtige eingeengt. Der absolute Schrecken hat diesen Effekt, dass die Opfer verführt sind, sich ihm anzugleichen oder ihn absolut zu setzen.

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