9.2.08

LINKSRUTSCH

„Der" Wähler orientiert sich neu. Die Mehrheiten ändern sich, der Trend geht nach links. Journalisten packen alte Sätze aus. Man darf wieder über Ungerechtigkeit reden. Manchen kommt es so ungelegen, dass sie nicht mehr durchblicken. (Schöne Fehlmeldung im Männermagazin, statt +2 gewünschte -2. Der Schock macht eine Korrektur unmöglich.)
Zunächst bedeutet der Zuwachs der Linken eine Themenveränderung bei den anderen Parteien: Ungerechtigkeit statt dummem Antikommunismus und sozialer Ausgrenzung. Die SPD beginnt wach zu werden, kommt mit linken Sprüchen. Gleichzeitig behandelt Ypsilanti die Linke als Schmuddelkind.
Was würde sich durch eine Regierungsbeteiligung der Linken aber verändern?
Inhaltlich kaum was (siehe Berlin, wo die Linke die Schulden der CDU abarbeitet). Ein paar linke Leute oben, linkes Blabla, Fähnchen setzen in Hundehaufen.
Gäbe es vielleicht einen „Wind of Change“? Linke Themen kommen in die Diskussion, es findet eine Politisierung von entpolitisierten Bereichen statt. Also was Einkommen, Bildung, Konsumverhalten angeht.
Ich bin skeptisch.
Was bedeutet die Artikulation von „Ungerechtigkeit“? Ich will x % mehr verdienen, die anderen verdienen zuviel? Alle sollen so ein bisschen verdienen wie die Manager? Deutsche Exportweltmeister für immer? Überhaupt Weltmeister in irgendwas oder allem?
Ich denke, die Gesellschaft ist schon so „differenziert“, in eine Vielzahl von Egoismen zerfallen [Arbeiter“klasse“ nur Teil davon], dass eine linke Politik - „Solidarität“ - nur eine Basis in der Propaganda, aber nicht im praktischen Verhalten hat.

Ein Kommentar sagt:
Du hast einen vollkommen falschen romantischen Ansatz. Du träumst von einer idealen solidarischen gleichen Welt. Aber die Zeit der Bauern, wo die Unterschiede nicht groß – wenn auch subjektiv bedeutsam – waren, wo jeder mehr oder weniger das Gleiche gemacht hat: Kühe melken, ausmisten, Futter holen usw., diese Zeiten sind historisch obsolet.
Warum gehst Du stattdessen nicht von der Realität heute aus: Jeder ist durch die gewachsene Arbeitsteilung in Irgendwas spezialisiert. Du träumst immer noch vom Universalismus, deswegen arbeitest Du auch auf Hilfsarbeiterniveau. - Diese Zeiten sind vorbei. Das Ganze funktioniert nur noch auf einem hohen technologischen Niveau. Das ist die berühmte Basis, das sind die „materiellen Verhältnisse“, von denen Marx gesprochen hat. Es hat keinen Sinn, zu einer vorintelligenten Produktionsform zurückzubewegen. Sei realistisch.
Es würde bedeuten, dass jeder in seiner Spezialisiertheit zu einem gesellschaftlichen Ganzen beiträgt: der Techniker, der Pädagoge, der Künstler, der Finanzierungsexperte, der Unterhalter, der Kritiker und am Ende der Politiker.

Meine Antwort:
Die Frage ist, wie sich das Einzelwissen von Fachleuten zu einem sinnvollen Ganzen, genannt auch „Allgemeinwohl“, fügt. Ob über die Konkurrenz oder Hierarchie der Experten - oder über die Politisierung des Experten. Das hieße, dass er die Auswirkungen seiner Techniken reflektieren müsste, sich die Frage stellen lassen müsste, was es zur Erreichung gesellschaftlicher Werte wie Gleichheit, Umwelt, Gerechtigkeit, Menschenwürde beiträgt. Ich will also auf die gegebene Intelligenz nicht verzichten, sondern sie ausweiten und herausfordern, „politisieren“.


Ein eingedeutschter Kollege, von Bild und Lokalzeitung unterrichtet, findet Lafontaine „gefährlich“. Meint wohl seinen „Populismus“, vielleicht seine oft ausgebeutete Rede vom „Fremdarbeiter“. Ich bin sauer über soviel dummen Opportunismus und beschließe wütend, ihn von jetzt ab einfach zu ignorieren. Obwohl ich seine vorkapitalistische ruhige Art mag, - die Art, wie er die Zeit vergessen kann, manchmal hasse, manchmal bewundere. Auch die Arroganz bewundere, mit der er im Kopf anderswo beheimatet, uns arme, gehetzte deutsche Schweine bemitleidet.

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