12.2.08

GRENZEN DER MORALISIERENDEN KRITIK

Meine Kritik hier ist vorwiegend eine moralische, will sich an Gerechtigkeit, Gleichheit orientieren, für die wir Opfer zu bringen haben, uns selbst beschränken sollen, einen egoistischen Standpunkt aufgeben sollten zugunsten eines allgemeinen. Und dergleichen mehr.
Mit moralisch ist also gemeint eine individuelle Entscheidung mit der Betonung des Allgemeinen.
Eine solche Kritik konstruiert immer gleich so etwas wie Schuldbewusstsein, Verantwortung – mit dem Wissen um die Konsequenzen eigenen Verhaltens werden wir ja unmittelbar verantwortlich, schuldig, sündig oder gerecht. Das ist die Konsequenz des Apfels im Paradies - der Freude an der Erkenntnis. Die Intellektuellen sind die Schlangen, die diesen Apfel rüberreichen. Frei nach Mathäus 10,16.
Nun kratzt eine solche Kritik immer nur an der Oberfläche. Wir wissen ja seit Freud und Fechner, dass nur ein Siebtel von uns über das Bewusstsein, das Ich, überhaupt erreichbar ist.
Also: wenn die Menschen im Kapitalismus sich so oder so verhalten, etwa konsumistisch, idiotisch, gute Geschäfte machen wollen, sich ihre Nischen suchen, Innovationen einbringen, Spenden verteilen, dann sind sie ja so gefangen in dem Verwertungsgefängnis, sich auf Teufel komm raus als Individuen reproduzieren zu müssen – wie soll man es ihnen vorwerfen? Wenn sie sich ohnmächtig fühlen - das ist realistisch – und deswegen [„auf mich kommt es ohnehin nicht an“, „was hab ich schon zu sagen“] die moralische Frage erst gar nicht stellen oder sie in einer billigen Weise beantworten [„linke Besserwisser“, „Sektierer“, „moralisierend“, „Es kommt auf jeden Einzelnen drauf an“] – wie soll man es ihnen verdenken?
Beim Besuch eines Paares aus den Bereichen Unternehmensberatung und Sozialmanagement stelle ich fest, wie ihr Mind eigentlich offen ist, wie sie meine Kritik [„Produktionsverhältnisse ändern …“] mit der ihren zu vereinbaren suchen, wie sie sich in eine gute Sache eingelassen haben - freilich ohne die Zusammenhänge zu sehen, in denen sie bedingt durch Ökonomie und Herkunft, drinstecken. Wie sie die Übernahme meines Stanpunkts nur arm machen würde und sie ihre Existenz verlieren würden.

Aber ist da noch Gutes drin in der Weiterentwicklung des Kapitalismus? Wird er am Ende doch nicht an einem guten Ende ankommen? Ist nicht die Befriedigung der biologischen Bedürfnisse schon weit fortgeschritten? Und könnte man sich nicht denken, dass so die andere und bis jetzt vernachlässigte Dimension des Sozialen, der Verständigung, Kommunikation, des Verständnisses bis hin zur Empathie mittels Einfühlung, Literatur, Kunst, sozialer Erfahrung und Reflexion eigener Gefühlslagen, dass das auch so fortschreitet - man denke nur an die neuen Marketingmethoden, in denen sich auch etwa ein Linker wie
Peter Brückner engagiert hat – dass also diese neuen Sozialtechnologien, Managementmethoden zu einem neuen menschlichen Sozialismus führen, wenn erst mal das Ökonomische konsequenterweise politisiert und dann sozialisiert wird????

Oder geht alles nur in Richtung EGOKULTUR? Einem Fest der Individualisierung? Einem Wettbewerb der Schönheiten? Der Reichen und Hübschen, wo man wie jetzt bei der Berlinale bewundernd daneben stehen darf, 600 € für das Büffet? Fallen da nicht auch ein paar Brosamen ab für uns, Ideen, wie wir uns hübsch machen können, wie man nett lächelt, schön singt. Haben wir da nicht was aufzuholen?

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