27.4.08

DISKUSSION ÜBER ARBEITSEMIGRANTEN

MK: Du zeigst Dich in Deinem Blog als Rassist. Hinter diesem Facharbeitersozialismusgerede steckt tiefverwurzelt alter Natiosozialismus. Sozialismus ist dagegen für alle da.
Ich: Also Wurzeln habe ich schon, wer hat keine? Aber etwas zu den Arbeitsemigraten: Sie wurden importiert, um den Arbeitsmarkt für das Kapital kontrollierbar zu machen. Das Kapital setzt auf Internationalismus, wenn es damit politische Begrenzungen im nationalen Rahmen bekämpfen kann. Wie jetzt etwa bei den EU-Verträgen.

MK: Aber die deutsche Arbeiterklasse ist doch nur an einem gut funktionierenden Kapitalismus interessiert und hat kein Interesse an einer Systemveränderung. Für das politische System ist es außerdem gleichgültig, wer die Arbeit macht, Inländer oder Ausländer.
Ich: Das stimmt für den beharrenden Teil, also die Arbeiter, die ihren Horizont auf das Leben in ihrem beruflichen Milieu beschränkt haben, die, die nicht in gesellschaftlichen Bezügen denken, sondern sich auf gegebene Konsummöglichkeiten reduziert haben. Alle nehmen mehr oder weniger bewusst gesellschaftlichen Unterschiede und Ungerechtigkeit wahr. Die einen verarbeiten es politisch, die andere individuell. Das gesellschaftlich vorgegebene und dominante Muster ist das der Mittelschicht; nämlich individuell intelligente Anpassung, Fleiß und Aufstieg. Die Verbreitung politischer Lösungsformen hängt von Resonanz in einer Öffentlichkeit ab. Diese Öffentlichkeit gibt es derzeit nicht. Als nicht materiell und praktisch sich durchsetzende Lösung bleibt eine sozialistische Orientierung nur Bewusstsein, Einstellung aber auch Gerede, Attitüde, individuelle Macke.
Die „linke“ Fantasie vieler Arbeiter bleibt allerdings in einem nationalen Rahmen stecken, sei es als nationaler sozialer Kapitalismus oder als nationaler Sozialismus.
Es ist auch nicht übertrieben, zu behaupten, die deutschen Arbeiter hätten in den Gastarbeitern zunächst weniger eine Konkurrenz gesehen als vielmehr eine Möglichkeit, auf deren Rücken aufzusteigen, die unqualifizierte Arbeit an Billigarbeiter abzugeben. Ich selber habe erfahren, wie deutsche Arbeiter durch die Gastarbeiter automatisch zum Vorarbeiter und Industriemeister aufgestiegen sind.

MK: Marx geht davon aus, dass der Kapitalismus nationale Besonderheiten im Weltmarkt egalisiert und da er international agiert, notwendigerweise international mit ihm umgegangen werden muss.
Ich: Marx geht von der Erfahrung der Internationalität von 1830 und 1848 aus. Aber das waren historische Sonderfälle, bei denen die Arbeiterklasse auch keine führende Rolle gespielt hat. In Wirklichkeit macht dieser hohe Anspruch auf Internationalismus, der über Rhetorik und Demos hinausgeht, den Bewegungsrahmen nur kleiner.
Man muss stattdessen von dem Bezugssystem ausgehen, in dem sich für die Menschen die politischen Prozesse und Entscheidungen abspielen. Das ist der nationale Rahmen.

MK: Das ist doch klassische Sozialdemokratie, am Ende noch mit „Burgfrieden“.
Ich: Der Gedanke einer sozialen Demokratie muss doch nicht schlecht sein. Aber ich glaube nicht, dass die Sozialdemokraten den Bruch mit dem Kapitalismus wirklich wollen.

MK: Heißt das also Krieg am Band mit „Ostarbeitern?“ Das ist doch Rassismus! Du wirst von Ihnen mit Recht als arroganter Deutscher gesehen, der sie bevormunden will. Sie wollen nur so leben wie die anderen Deutschen und nicht wie Du mit Deinem Sparsamkeitszwang!
Ich: Krieg oder Kampagnen wären blödsinnig und asozial. Die Gastarbeiter haben zwar als konkurrierendes Element das Machtverhältnis zu Ungunsten der Arbeiterklasse geschwächt, aber gleichzeitig bei den deutschen Arbeitern – ohne es bewusst zu wollen - systemkonforme Haltungen befördert. Sie selber haben eine Erfahrung von Herabsetzung, Missachtung und Diskriminierung, aber beziehen das nur auf sich, ohne die sozialen Verhältnisse ändern zu wollen. Sie haben Angst, ihre materiellen Grundlagen zu verlieren, denken nicht in Alternativen sondern leben in dem Wunsch, das vorhandene deutsche Niveau zu erreichen. Auto, nicht Fahrrad.

MK: Eine NPD-Parolen lautet: „Volksgemeinschaft statt Globalisierung“.
Die NPD-Klientel entsteht aus dem Bereich der durch Konkurrenz und Globalisierung bedrohten oder ausgeschiedenen Gesellschaftsgruppen. Das nationale Argument ist das letzte, das sie noch für sich in Anspruch nehmen können. Es ist aber ein Skandal, dass nicht alle – ob Leistungsträger oder nicht – einen gesellschaftlichen Platz haben. Die Antifa vermute ich - ich kenn zu wenige - stammt aus dem Mittelschichtsmilieu, ist materiell nicht bedroht, nicht zur Konkurrenz mit Ausländern, Hartz4lern gezwungen.
Sie fühlt sich moralisch überlegen, und ist de facto genauso aggressiv wie ihr Gegner. Sinnvoller, statt gegen die NPD zu marschieren, wäre es, für einen menschlichen Umgang, ein realistisches Selbstbild und realisierbare gesellschaftliche Chancen dieser Klientel zu sorgen und die Institutionen anzugreifen, die Menschen diskriminieren und disqualifizieren: Schule und Betriebe, Gewerkschaften.

MK: Aber die politische Trennlinie besteht heute zwischen Faschisten und Antifaschisten.
Ich: Nein, das sind nur Profilierungskonzepte einer Elite, die kein soziales Programm mehr hat, die ihre „überlegene“ Identität durch eine Abgrenzung gegen moralisch, bildungsmäßige und andere Unterlegenheit konstruiert. Typisch dafür etwa
Storz im Freitag, der zu einem Bündnis von Parteien, Gewerkschaften und Kirchen gegen rechts aufruft, also gerade den Institutionen, die marktgläubig Differenzierung, Konkurrenz und Mittelschichtskultur als Leitbild haben. Wie wäre es, wenn Gewerkschaften Diskussion, Information, gleichwertige Bildungsabschlüsse und Löhne für alle zu ihrem Ziel machen würden und nicht Prozentforderungen, Versicherungsmentalität und Marktanpassung.
Die politische Trennlinie liegt in der politischen Intelligenz selber. Darin ob sie in der Lage ist, kollektive Konzepte wirksam werden zu lassen. Also statt technokratischen Konzepten der Existenz – die im Wesentlichen auf der intelligenten Anpassung an Märkte bestehen – politisierte Existenzformen, die die gesellschaftlichen Implikationen politischer Entscheidungen reflektieren können: Bildung, Tarifverträge, Konsumverhalten und Umgangsformen. Also: Markt oder Demokratie.

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