18.10.07

EIN ELTERNABEND

Anfangs der 13ten Klasse soll eine Klassenfahrt stattfinden. Wozu, und warum nicht nach dem Abitur, hat keiner erklärt. Das ist eben immer so. Die Schüler dürfen über Ziele abstimmen. Es steht Istanbul gegen Sorrent. 9 stimmen für Sorrent, 8 für Istanbul. Die Mehrheit stimmt fürs Fliegen, gegen Bus und Bahn. Der Lehrer hat sich schon über Flugpreise kundig gemacht.
Beim Elternabend kommt es zu einer Diskussion. Die Frage ist, wie die Schule einerseits von Umweltschutz redet, dann aber als Krönung zum Baden fliegt, ohne dass es auch nur irgendwie in einem Zusammenhang mit einem Lernprojekt steht, sei es Geschichte oder Sprache. Die anderen Eltern fühlen sich angegriffen: Man könne ja sonst was für die Umwelt tun, etwa Papierchen im Wald sammeln. So ein Jäger. „Haben Sie etwa eine umweltfreundliche Heizung?“ – Ja, wir haben. Ein anderer meint: Die Schüler haben demokratisch darüber abgestimmt. Ich frage: Sind sie über die Konsequenzen ihres Verhaltens informiert, ist es ihr Geld? Ein anderer meint, vor kurzem wäre das mit Al Gore gewesen. Der würde auch jährlich für 30 000 $ Energie verbrauchen und sie selber würden nur einmal im Jahr fliegen. Das alles schlagende Argument wird aber ein Satz einer Mutter: Das Flugzeug fliegt, auch wenn unsere Kinder nicht mitfliegen.
Der Klassenlehrer, vom Typ des Pro und Contra, räsoniert: Ja er wisse um die Problematik der Billigflieger. Früher sei er auch immer mit dem Auto nach England gefahren, aber die Preise wären aber inzwischen so unschlagbar günstig. Er hätte sich auch überlegt, wozu überhaupt eine solche Klassenfahrt sein solle und ob man es nicht auch in der Nähe machen könnte. Aber ach … usw.
Diese Schule bildet vorwiegend zukünftige Techniker aus. Von „Technikfolgen“, sozialen und ökologischen Konsequenzen ist keine Rede. Es gibt Projekte zum Stirlingmotor, zur Wiederverwendung von Frittenöl im Autotank, ökologische irrelevante Spielereien. Aber diese Schule fühlt sich als Elite, zählt sich zu denen, die Ahnung haben und vermittelt dieses Gefühl auch ihren Schülern. Das soziale Modell, das sie vermittelt, ist sozialdarwinistisch. Man darf daraus keine Demokraten erwarten, die jedem Menschen die gleichen Rechte zubilligen.
Nach dem Abend bleibt bei mir das Gefühl, unzulänglich argumentiert zu haben, hoffnungslos zu einer ganz kleinen Minderheit zu gehören. Nicht angekommen ist etwa, dass jeder Mensch nur ein begrenztes und gleiches Anrecht auf Energieverbrauch hat. Oder dass die Schule die Aufgabe hat, über zukünftige gesellschaftliche Probleme zu informieren und nach neuen Handlungsmöglichkeiten zu suchen.
Bei den Lehrern und Eltern im Raum gab es:
- Dummheit - am meisten verbreitet. Motto: wir machen das immer so und werden das immer so machen, alles andere interessiert uns nicht. Das Nichtwissen ist hier gekoppelt mit dem Nichtwissenwollen. Stupidity is no handicap. Die Mehrheit gehört in diese Gruppe.
- Ignoranten, die fachidiotisch zugenagelt sind, sich aber trotzdem überlegen fühlen
- „Demokraten“, d.h. die die verstehen, die Meinungen und Bequemlichkeiten für sich zu instrumentalisieren. Das sind die Demagogen, die den Jargon der herrschenden Mediensprache beherrschen: „Ideologie“, „Mehrheit“ usw.
- Opportunisten - nicht dumm – passen sich aber an die jeweiligen Mehrheiten an. Sie lassen andere Standpunkte zu, nehmen sie wahr. Sie sind sozial am höchsten entwickelt.

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