3.11.07

VERMISCHTES

Bei meiner Arbeit gibt es keine erwähnenswerte Bewegung, in den Medien aber scheinbar aufregende Dinge, die mit einem Kommentar hier eine Bedeutung bekommen, die sie eigentlich nicht verdienen. Da sind Mosebach, Loriot, Mahler, Nina Hagen, Merkel in Indien und eine kleine Diskussion.

BÜCHNERS ERBEN
Mosebach wurde der Büchnerpreis verliehen. Man fragt sich, wie ist das möglich, dass ein Literat, der um skurrile Fantasien kreist und diese im bildungsbürgerlichen Jargon bedeutungsvoll aufbläst, einen Preis bekommt, der den Namen von Büchner trägt? Was man sieht, ist, wie das Bürgertum alles vereinnahmt; Hauptsache es bleiben selbstromantisierende Geschichtchen.
Mosebach wünscht sich im Rahmen der modischen Nostalgie die lateinische Messe zurück. Als Johannes XXIII. das „Aggiornamento“ forderte, also dass es Tag werde in der Kirche und sie sich „aufkläre“, konnte man hoffen, dass die Kirche ihre Fantasien und Riten mit der Realität konfrontiert und mit den Menschen solidarisch wird. Aber Bewahrer von Plüsch, Pomp und
Sopha haben schnell wieder Macht und Sagen übernommen.
Wie hat Büchner gesagt? Friede den Hütten! Krieg den Palästen!
Die Preisverleihung und die Diskussion drumherum zeigt aber den elitären und antidemokratischen Trend im herrschenden Bildungsbürgertum. Oder soll man es auf dessen Hang zum Theatralischen und Übertrumpfenden zurückführen?

FERNSEHEN
Das Fernsehen ist eine Art Bewunderungsmaschine. Wir gucken zu, wie toll andere sind und vergessen unsere eigene Mickrigkeit und Ohnmacht.
Vor kurzem ein „Gespräch“ mit Loriot. Richtig spannend wird es, als das Gespräch auf seine Militärzeit in Russland kommt – natürlich als Offizier. Da war der arme Mann also alleine und denkt über seine Lage nach und er memoriert die Shakespeareschen Monologe über Schicksal und Tragik. Gerne hätte ich gewusst, was er über die ermordeten Russen gedacht hat, etwa wie es
Horst-Eberhard Richter reflektiert hat. Aber wahrscheinlich hat unser Staatskomiker überhaupt nicht an sie gedacht. Er war nur froh, als die Amerikaner dann auf sie geschossen haben.
Also dieser Unterhaltungskünstler spielt in Russland sein privates Theater, er denkt nicht nach über die Folgen seiner Tätigkeit, Desertieren, Widerstand usw. Nein, er betet gläubig zur selben Vorsehung, die auch von seinem Führer angerufen wurde und die für viele andere nur den Tod „vorgesehen“ hatte.

MERKEL IN INDIEN
Merkel vertritt in Indien die Sache des Klimaschutzes. Eine
Ost-Zeitung, in westdeutscher Hand (WAZ, Ottoversand), schreibt, es wäre schon richtig den Indern Klimapolitik zu lehren. Zwar wäre der durchschnittliche CO2-Ausstoß gering, aber in der Summe „erstickend“. Man vergleiche: Indien mit ø 1,2 to/Person/Jahr, Deutschland mit ungefähr der 10 fachen Menge.
Als Entwicklungshilfe versucht „Alice“ Merkel den Indern noch 120 Eurofighter zu verkaufen. Schmutziger geht es nicht mehr. Es nennt sich Friedens-, Entwicklungs- und Klimapolitik.

REALITÄT
Ein Jugendlicher wirft gegen mich ein: Wofür bist Du eigentlich? Bist Du für die Linkspartei oder nicht? Ich: Ich wähle die Linke, weil es nichts Besseres gibt, aber Parteien interessieren mich eigentlich nicht. Ich setze auf Demokratisierung von Institutionen in Betrieb, Schule usw.
Damit kann er nicht viel anfangen. Denkt wohl, wozu sich um den ganzen Kram kümmern, wenn es dafür Fachleute gibt. Als Einzelner kann ich doch ohnehin nichts ausrichten.
Demokratie oder Technokratie?
Es fällt ihm auch schwer, an die Kraft von Argumente und Vernunft zu glauben. Diskussionen, schon gar nicht politische, werden in der Schule nicht mehr geübt. Es zählt, was Fakt ist. Und Fakt ist, was in Medien, im Freundeskreis zur Tatsache wird.
Eigene Tätigkeit zählt nicht. Das können andere besser.
Leben gibt es in der virtuellen Welt. In Spielen und Internet kann man sich als Normal- oder Besserverdiener fühlen. Lehrer erklären der Klasse, die meisten würden später über der Beitragsbemessungsgrenze liegen und deswegen privat versichert sein (63 000 € jährlich).
Welches Konzept habe ich? Ich setze, kann man mir vorwerfen, auf politische Apathie, das Unbehagen und Misstrauen gegen das politische Lügentheater. Irgendwie entwickelt sich dabei – so eine Hoffnung - einmal eine neue politische Praxis der „Basis“. (Dabei ist die „Basis“ selber Teil des herrschenden repressiven Überbaus).
Was könnte ich ihm als alternative Praxis empfehlen? Das „Kapital“ lesen, Hegel, einen Garten halten, alternative Technik studieren, versuchen, Gleichdenkende suchen und nicht die Konkurrenz um technische Größenfantasien, das survival of the fittest, mitzumachen.

TRAUM
Ich absolviere eine Prüfung. Mir wird bescheinigt, dass ich nicht die Kompetenz habe, andere zu beurteilen. - Ich fühle mich vollkommen gedemütigt und beschämt.

NINA HAGEN
Sie denkt das Abseitige und Widersprechende nicht nur, sie schlüpft in es hinein. Nicht ohne ihre ironisch kritische Haltung dazu spüren zu lassen. Weil sie aber braver Medienmensch ist, unterhaltsames Theater anbietet, kann man ihre Spielereien zwar witzig finden, aber nicht richtig ernst nehmen. Interessant nur, wie viele Jugendliche über sie empört sind, wie also plumpe Bürgerlichkeit sich wieder durchsetzt.
„Gruppentherapie“ ist ein Schimpfwort, entnehme ich dieser Diskussion. Es zeigt, wie diese in ihrer Erziehung schockgefrosteten Typen panische Angst haben vor dem Anderen hinter der ordentlichen bürgerlichen Welt ihrer ritualhaft reproduzierten „Fakten“.

HORST MAHLER
Es muss ein suizidaler Hang der Vaterlosen sein, der ihn antreibt. Wie könnte er sich sonst von Friedmann so zum Affen machen lassen. Er bringt einen von Marx nicht angekratzten Hegel mit seiner Verehrung eines idealisiertes deutsches Reichs, das aber im Gegensatz zu seiner Rede, sich nur ethnozentrisch negativ verhält zum „Jüdischen“. Statt konkret zu kritisieren, hält er eine Abstraktion gegen die andere. Und Friedmann, nicht dumm, unterstellt ihm Neid auf die jüdische Rasse. Eine Rasse, die ja um im
Nazijargon zu bleiben, die arische besiegt hat und damit ihre historische Überlegenheit bewiesen hat.

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