18.6.07

17.06.07 Die Weiße Rose

Eine entferntere „Verwandte“ besucht –Stieftochter der Halbschwester eines … Am Abend vorher lief in Arte "Sophie Scholl – Die letzten Tage". Da sie von der gleichen Generation und mit der Familie von Scholl usw. bekannt war, habe ich nachgefragt, ob sie sich den Film angeschaut hat: Nein, sie hat sich das zuerst überlegt, aber sich dann entschieden, es nicht zu tun. Es wäre eine aussichtslose Sache gewesen. Flugblätter verteilen in dieser Diktatur, sinnlos, wenn nicht sogar dumm. Ich wende ein: manchmal müsse man eben etwas machen oder sagen, egal ob es nützt oder schadet. Sie: Außerdem haben sie die Angehörigen nur als geltungsbedürftig kennen gelernt. Das ganze Unternehmen wäre eine Sache von Geltungsbedürfnis gewesen. Ich verzichte auf eine weitere, doch nur moralisierend werdende Diskussion.
Wenn ich mir das wieder überlege, denke ich an die Aktionen der Studentenbewegung: die buchstabenreichen Flugblätter gerichtet an ein lesendes, überlegendes Publikum, das mit moralischen Argumenten beeindruckt werden sollte. Das hat sich in der Zwischenzeit grundsätzlich geändert. Die Sache der Weißen Rose wurde ohne politische Taktik vorgetragen. Darin war die Aktion natürlich zum Scheitern verurteilt. Aber eine Politik wird nicht dadurch falsch, dass sie erfolglos ist.
Aber nun zu dem Satz: Man müsse sich so verhalten wie alle anderen und auf alle Fälle zu überleben versuchen. Einer der sich gegen die Norm verhält, ist verrückt, bzw. wie es auch heißt: er bildet sich ein, etwas Besseres zu sein. Ich wundere mich über diese Dame, wie sie ungerührt alles, was ich Schicksalsschläge nennen würde, hinter sich lässt: der Tod ihrer Mutter, ihrer Brüder, ihres Mannes, ihres Sohnes. Wie es da nur eine Richtlinie gibt, dass es gut aussieht, dass Ordnung ist, Sauberkeit. Unsentimental werden die Toten abtransportiert, - auf keinen Fall Musik bei der Beerdigung - das blitzblanke Grab mit erlesenen Blumen bestückt. So wie es sich gehört. Der beste Tod ist der, bei dem man nicht dabei ist – schnell und schmerzlos. Sie ist nicht areligiös, sie braucht Religion zur Vergewisserung, um alles in eine richtige Ordnung zu bringen.
Etwas Anderes ist der qualitätslose abstrakte Zeitbegriff, das was den morallos Überlebenden geblieben ist. Zeit ohne die Ausfüllung durch das, was subjektiv als notwendig und wahr gefühlt wird. Zeit vielmehr ausgefüllt durch Abwarten, Passivität, Kartenspielen, Fernsehen. Mimikry des So-seins-wie-andere (und noch ein bisschen besser, sauberer usw.).
Leben ist bei ihr Überleben geworden. Zuerst in der Diktatur, schon vorgespielt in Familie und durch das Schicksal, und hat sich dann weiterentwickelt im erhöhten Niveau des Wirtschaftswunders. Reproduktion, angereichert durch den kleinen Luxus. Sie ist nicht unzufrieden mit ihrem Leben, aber kämpft um jeden unnötigen Euro.

Demgegenüber der Begriff des im Tod erfüllten Lebens.

In der Fabrik gibt es wie in der Diktatur ähnliche Drohungen: wenn Du nicht mitmachst, verlierst Du Deinen Job. Und dann geht es bergab. Auf viele Sachen kannst Du nachher verzichten: Ich etwa auf Notebook, Fahrrad, Unterstützung der Kinder, ein bisschen männliches Leistungsbewusstsein.

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