4.1.08

RELIGIONSMONITOR

Bertelsmann tut was für die Kirchen. 70 sind religiös, 18 hochreligiös. Die Kirchen jubeln: Die Menschen wollen begleitet sein in wichtigen Lebenspassagen, und die Kirche können ihnen passende Rituale bieten. Die Pfarrer brauchen nicht mehr Sozialarbeiter sein, sondern dürfen Religion verbreiten und von Gott reden. Die Religion stirbt also doch nicht ab, wie mal (von Marxisten?) gesagt.
Schaut man sich diese „Religiosität“ genauer an, sieht man nur Diffuses: Gefühle, "Ehrfurcht, Geborgenheit, Schuld, Freude, Angst und Liebe", Meditieren, Transzendenz, „Werte“. Der Kirchenkritiker findet sich plötzlich als „Religiöser“ wieder. Und sieht sich als Teil einer religiösen Propaganda.
Aber die Bertelsmannstudie zeigt, was an „religiösen“ Themen ansprechbar ist und bei verschiedenen Schichten Resonanz findet. Abgefragt werden dazu nicht nur Postleitzahl, auch Familienstellung, soziale Schicht. So werden dann Pfarrer für ihre Predigt oder auch Zeitschriften für ihre Artikel wissen, welche Begriffe sie oft genug nennen müssen, um auf Resonanz zu stoßen. Und so wären die Kirchen, die jetzt mehr und mehr auf Steuereinnahmen verzichten müssen, wieder im gesellschaftlichen Rennen, könnten ihr Angebot den Bedürfnissen ihrer potentiellen Schäfchen anpassen, die ihnen auch jetzt immer noch in Scharen davonlaufen.
Dass sich die Bertelsmannstiftung, die sich sonst so für Neoliberalismus stark macht, hier Pomotion für die religiöse Linie macht, verwundert. Aber vielleicht müssen die neoliberalen gesellschaftlichen Entgleisungen: Billiglöhne, Sozialdumping, Verwahrlosung, Konsumidiotie usw. durch metaphysische Visionen von „Ehrfurcht, Geborgenheit, Schuld, Freude, Angst und Liebe“ aufgefangen werden und die Menschen durch Begriffsvortäuschungen wieder an die Kirchen gebunden und von ihrem affirmativen Moralkodex gegängelt werden.

Die Wahrheit von Religion durch eine Umfrage herauszufinden, wer würde das für sinnvoll halten?

Wie war das aber mit dem „Absterben der Religion“ etwa durch „Sozialismus“? Es war eine arrogante Form von Wissenschaftsgläubigkeit, ein plumper Positivismus – menschenfeindliche Hybris. Der „Materialismus“ vieler Linker ist bestenfalls eine naive Form eines Pantheismus oder oft nur affirmative Ideologie. Man soll sich auf das Faktische reduzieren lassen. - Die Religion „stirbt“ aber in dem Maße „ab“, wie sie zur Erkenntnis der paradoxen und ambivalenten menschlichen Situation fortschreitet: Freiheit und Determination, Identität und Vergänglichkeit, Geist und Natur, Individualität und Einheit.

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