29.4.09

Vom humanistischen Gymnasium zum Varieté

Die „Betriebsarbeit“ eines Pfarrersohns
Ich lese in der
FR ein Interview von E. Schapira, einer eifrigen Freundin Israels, mit J. Klinke über seine gloriose Kämpfervergangenheit in der BPG, später RK – der um 1972 zu Opel ging zwecks „Untersuchungsarbeit“. So eine Parole von Lotta Continua.
Nachdem politische Revolution nicht mehr möglich wäre, sollten Betriebskämpfe an deren Stelle treten. Das syndikalistische Konzept mischte sich mit spontaneistischer Primanerfantasie von einem anderen Leben: mediterranes Lebensgefühl, Urlaub am Mittelmeer, Alternativen zu einer rigiden Arbeitsmoral usw. Das Verhältnis zur deutschen Arbeiterschaft war distanziert, die „Arbeitsemigranten“ wurden idealisiert, wie man bei Klinke sieht noch heute. Die Bewegung in der Gesellschaft, in der Arbeiterklasse war eine ganz andere. Die bemühte sich um Konsolidierung ihrer materiellen Lage, um berufliches Aufwärtskommen, private Geschichten – Urlaub am Mittelmeer inklusive. Die „Arbeitsemgranten“ sahen ihre Jobs am Band als Übergangsstadium – auch wenn die meisten länger als geplant dort blieben. So wie es das für die Leute vom RK auch nur ein Übergang war vom mittelständischen Elternhaus in die grünliberale individualistische Praxis. Kann mich erinnern, wie manche „Praktikanten“ - jetzt im Besitz von Motorrädern - mit ihrem neuen Status herumgeprahlt haben. Es ist aber keiner bei Opel hängengeblieben.
Zu welchen politischen und marktwirtschaftlichen Vollidioten sie sich entwickelt haben, kann man bei Fischer, Thomas Schmid und Klinke selber sehen. Der lässt sich die Automatenstraße bei Opel zeigen, da wo vorher das Fließband war und sieht keine Arbeiter mehr. Es sind zwar nur noch 40% von damals, aber immer noch über 18000. Nicht zu vergessen die große Masse in den mittelständischen Zulieferbetrieben unterhalb der Tarifverträge mit schlechteren Arbeitsbedingungen.
Die Träume des RK vom Pflaster unter dem Strand ließen sich leicht integrieren in die neue Konsumdemokratie Kohls, ins Reisebürogeschäft und das liberale Frankfurter Nachtleben.
Damals habe ich angenommen, dass der RK bestenfalls gute Literatur über seine Fabrikerfahrungen produzieren würde. Doch er hatte dann mehr Erfolg als ich dachte. Immerhin waren Leute vom RK bald Vertrauensleute und Betriebsräte. Doch ist daraus keine Bewegung entstanden. Aus der „Untersuchungsarbeit“ wurde nichts, sieht man von der Reproduktion von Ressentiments gegen die deutschen Arbeiter ab. Die Leute sind aus dem Betrieb raus ohne jede Analyse, was da zuendeging. Das Leben ging dann „anders“ weiter. Fabrik, nein danke. Nichts für uns. Muss nicht sein.

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