15.3.10

Missbrauch von Priestern durch Gläubige

Die aktuelle Missbrauchs“debatte“ bleibt auf dem Niveau von Denunziation stehen. Im Verhältnis dazu sind Krimis schon ausgereifte Psychoanalysen. Es wird im Namen von Opfern geredet, ohne auch nur im Entferntesten deren Sicht wahrzunehmen. Bestenfalls ist die Rede von „zerstörtem Leben“, „Trauma“ – oberflächliche, behavioristische Begriffe.
In der Suche nach Schuldigen soll der Papst verantwortlich gemacht werden, so wie Hitler für die Verantwortungslosigkeit seiner Soldaten verantwortlich sein soll. Denke ich über die Erscheinung des Papstes nach, erinnert er mich an einen zurückhaltenden, schüchternen Ministranten, der von seinen Kusinen angehimmelt wird. Vielleicht ist das sein Trost, der das Zölibat kompensiert. Vielleicht ist er aber auch nur ein Mensch, dem es unerträglich ist, jemand neben sich zu haben, der gleichrangig und anders ist.
Ich habe Mitleid mit den Priestern, mit ihrem oft verkorksten Leben. Ich weiß etwas um die Sackgassen, in die sie durch Erziehung, die Pflege von falschem Stolz, die Erwartungen der Gläubigen verführt werden. Da ist die Mutter, die Haushälterin ihres Sohnes werden will, die Sexualität verabscheut, da sind die Betschwestern, die mit einem Kult der sexuellen Reinheit ihre Traumatisierungen verarbeiten, da sind die Gläubigen, die den Pfarrer für die Sakralisierung ihrer Familienfeste benutzen, da sind die Parteien und der Staat, die die „moralische Kompetenz“ der Kirche für ihr Image brauchen, da ist der Wahn, man wäre Gott gleich, wenn man keinen Sex hätte.
Die Statements des Papstes sind lustig. Ratzinger begründet seine Religionsphilosophie mit dem griechischen Idealismus, wie er von Paulus in das Christentum eingehämmert wurde bis hin zum kruden Manichäismus - Leib- und Körperfeindlichkeit. Krahl – selber wohl eher reflektierter Homosexueller - meint irgendwo, das idealistische Verhältnis von Form und Inhalt, Begriff und Materie bringe das Geschlechterverhältnis zum Ausdruck: die Frau das formlose und vergänglich Materielle, der Mann als der formende und sich im Reich der ewigen Ideen Bewegende. Die griechische Liebe zum eigenen Geschlecht entspricht dieser Bewertung.
Es gibt vieles im Christentum, was diese mehr oder weniger latente Homosexualität enthält: Die zwölf Apostel, die Männerbündelei und Männerverehrung, die Vermischung von Mann, Gott und Numinosem, ebenso wie die Frauen entsexualisiert, „unbefleckt“ gemacht werden. Elton John, trotz blödem Verhalten, hat nicht unrecht.
Pädophilie andererseits wird im aktuellen Geschwätz schon gar nicht zu begreifen versucht. Wir wissen gerade wegen einer nur forensischen Psychologie kaum etwas darüber, wie sie zustande kommt. Es hat wohl etwas zu tun mit Kontrolle und Kontrolliertwerden, mit Barrieren zum Erwachsenwerden, mit Sadismus. Ich höre aber keine Fragen dazu. Statt dessen Vorschläge zur Exklusion: mehr Kontrolle, Sicherheitsverwahrung, Verlängerung der Verjährungsfrist.
Die katholische Kirche, samt ihren Orden und Internaten, bilden ein kleines totalitäres Milieu, „totale Institutionen“, die sadistische und allmächtige Eingriffe ermöglichen sollen. Beichte, Verteufelung, Predigt sind ihre regulären Instrumentarien. Als Zollitsch sein Ultimatum verhängte, hat mich das lebhaft an meine Katholiken-Napola erinnert, den Zorn der sich als absolut setzenden Theokraten. Dieser Steuergeldprofiteur Sloterdijk hat nicht unrecht, wenn er vom Zorn als dem Zentrum der Religionen spricht; der Führungsstab der Kirche glaubt sich mit dem Zorn Gottes identisch.
Diese kleinen totalitären Milieus sind freilich nicht auf die Kirche beschränkt.

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