7.12.08

KAPITALISTISCHES WACHSTUM OHNE UMWELTZERSTÖRUNG?

Auf der Linken sind jetzt die Konjunkturtheoretiker aktiv. Man müsse nur durch höhere Staatsausgaben die Kreisläufe wieder in Bewegung bringen.
Flassbeck etwa meint, nun wären Gelder zu investieren in die öffentliche „Infrastruktur, die in einem erbarmungswürdigen Zustand ist, im Bereich des Umweltschutzes und bei der Bildung.“ Worauf logisch folge: „Neu eingestellte Lehrer und besser ausgelastete Bauhandwerker kaufen auch wieder Autos.“
Die Logik, dass über Staatsverschuldung Kreisläufe aktiviert werden, verstehe ich. Ich verstehe auch, dass Staatsschulden an sich kein Problem sind, solange damit ein Mehrprodukt erarbeitet wird. Aber geht das ohne mehr natürliche Ressourcen zu verbrauchen?
Oder woher kommt der Mehrwert, der eine Investition von Kapital profitabel machen soll? Doch nur davon, dass mit Hilfe von Mehrarbeit mehr Kapital umgeschlagen wird. Am Ende hat dieses Mehr immer einen stofflichen Charakter. Diese Entwicklung ist abenteuerlich und destruktiv.
Oder muss man annehmen, die Mehrwertschöpfung läuft über Dienstleistungen? Die Geldkreisläufe werden also erweitert. In den Kreislauf von Kapital – Ware – Lohn – Profit werden nun noch Dienstleistungen eingefügt. Also Kindergarten, Nachhilfe, Putzfrau, Fitnesstrainer usw. Ohne dass stofflich mehr produziert wird. Das hat tatsächlich stattgefunden. Statt zuhause isst man im Restaurant. Die Menge des Essens ist die gleiche …, es kostet zwar vielfach mehr, aber der Lohn ist auch gestiegen. Die Löhne sind dank der gewachsenen Produktivität durch Ölökonomie und der Exporte gestiegen. Das Mehrprodukt insgesamt geht zwar zu einem Großteil als deutscher Geldbesitz ins Ausland, etwa zu den LehmanBrothers, aber ein Teil wenigstens kommt in der Form von mehr Konsumprodukten allen zugute. Also der Lehrer kauft sich ein drittes Auto, vielleicht sogar ein Ökomobil.
Wie ein Kapitalwachstum – ohne die Aussicht darauf keine Investition – möglich sein soll, ohne stofflichen Mehrverbrauch von Rohstoff- und Energieressourcen, Landschaftsverbrauch, Umweltzerstörung, Ausbeutung der dritten Welt, das erschließt sich mir nicht.
Jetzt sollen die Schulen neu angestrichen werden, so propagiert die Tagesschau gestern – hässliche Schulen gibt es ja massenweise. Was bedeutet das anders als Verbrauch von mehr Chemikalien? Nun ließe sich ein Modell durchspielen, dass Schulen umweltfreundlich aus Lehm und Holz gebaut werden. Die Bauarbeiter und Schüler würden Fleisch aus umweltfreundlicher Produktion essen, ohne Sojaverbrauch etc. – Schnell wären dann die Begrenztheit der Ressourcen klar: der energieabhängige Nitratdünger, die begrenzten Phosphorreserven usw. Am Ende wäre eine Einschränkung des Verbrauchs notwendig.

Es sind immer verschiedene Linien, über die dieses Wachstum ohne Ressourcenverbrauch möglich sein soll. Da wäre ein Thema die intelligente Produktion, etwa im Bereich des Recycling von Abwärme, der Ökonomie von Ressourcen. Aber das sind vorübergehende Extraprofite, die wenn sie sich allgemein durchgesetzt haben, wieder vom Konkurrenzsystem annulliert werden. Das Ende vom Lied ist immer: mehr Lohn/ Profit, mehr Ressourcen.
Oder wir cleveren Deutsche produzieren nur noch Wissenswaren, also Technologien und verkaufen die ins Ausland. Bei uns bleibt alles sauber, kein CO2 durch Produktion – dafür die kilometerdicke Smogschicht über Asien.

In einer Diskussion im DLF höre ich Butterwege, einen eloquenten Antiarmutslinken, derart: der Kuchen, der verteilt werden kann, wird durch eine steigende Produktivität immer größer. Man muss nur durch entsprechende Konjunkturprogramme die Kreisläufe in Gang halten.
Das mag zwar eine in Konkurrenz zum Privatkapitalismus stehende Argumentation zwar kurzfristig bestechende Argumentation sein, doch für die, die darüber nachdenken, und die durch ihre Arbeit wissen, was die Dinge Mühe kosten, ist es nur eine rhetorische Finte, die linke Politik unglaubwürdig macht.

Eigentlich hat die Finanzkrise das Elend des linken Keynesianismus gezeigt. Denn die USA haben es richtig gemacht: öffentliche Schulden aufnehmen für Rüstungsproduktion, Geldschöpfung durch private Banken durch Liberalisierung – der Privatsektor hat die Funktion des Staats im keynesianischen System durch die Liberalisierung mit übernommen. Und es war nur ein kleiner Anstieg des Ölpreises mit den Folgen sinkender Autonachfrage, mehr Arbeitslose, Hypothekenzusamenbruch, der alles zusammenbrechen ließ. Und was lernt die Linke daraus? Mehr produzieren, mehr konsumieren. –
Änderung der Produktionsverhältnisse? Was ist das? War da mal was?

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