19.3.08

„TEUFELSBRATEN“

Der Film hat mich bewegt. Dieser wütende Vater, ein eifersüchtiger Gott. Die keifende Mutter, der abergläubische Katholizismus. Das kenne ich so. Am Ende verlässt das Mädchen das Milieu. Sie hat ihr Milieu, vielleicht sogar ihre Klasse, verraten, kann die Destruktivität nicht mehr ertragen. Mit Elias Kultur- und Zivilisationstheorie zeichnet Frau Hahn ihre Herkunft als rückständig und barbarisch. Da ist das Essen nicht mit Messer und Gabel, da ist die körperliche Gewalt , da ist der Dreck überall, der Alkoholismus, die Unfreundlichkeit, das Unverständnis, eine zugebretterte Welt mit vielen Tabus. Auf der anderen Seite aber die Welt der Freundin aus der Mittelschicht mit dem guten Benehmen, Verständnis, Toleranz und Freundlichkeit, Schönheit, Geschmack. Und dazwischen die Heldin der Geschichte, die hochbegabt und einem natürlichem Instinkt für Kultur durch Demütigungen und Beschämungen durchgeht, um endlich mit Hilfe von Literatur, Bildung und Schule ihr Milieu hinter sich zu lassen.
Und landet dann bei einem Mann wie Dohnanyi, landet in diesem bürgerlichen Zentrum moralischer Arroganz und Heuchelei, das sich der SPD zur Machterhaltung bedient. Irgendwas ist da wohl falsch gelaufen. Die Sentiments, Ressentiments und Gefühle – die in dem Vater wabern, in den Frauen ihr Unwesen treiben – sind nicht zum aufgeklärten Gedanken geworden, sind nicht durch das Fegefeuer des Diskurses gegangen, sondern im Narzissmus der Selbstbestätigung im sozialdemokratisch manipulierbaren Warenkonsum stecken geblieben: Fernseher, Kleider, Alkohol.
Zwar finden sich im Film Versuche diesen Vater zu verstehen, aber das begangene Unrecht verunmöglicht ein Verständnis. Es bleibt nur der Weg in die Sackgasse der Distinktion, der Hochkultur, der schönen Künste. Wir haben keinen Einblick in das Leben und Arbeitsleben des Vaters, angedeutet nur wird was von Streik usw. Es ist nicht erkennbar, dass sein Leben die Kehrseite der guten Geschäfte des Bürgertums ist, der Januskopf des freundlichen Händlers. Sein Verhalten in Konfliktsituationen orientiert sich an Entweder-Oder, Freund-Feind, Alles oder Nichts, bewegt von der Angst und Bedrohung der sozialen Existenz, steht im Gegensatz zum bürgerlichen Kaufmanns- und Kulturmilieu, in dem Konflikte durch Verständigung, nicht mit Gehorsamsforderungen, sondern Verhandlungen gelöst werden. Die Kinder stehen dort als Nachfolger und Mitarbeiter im Geschäft schon fest.
Nun gut, diese Geschichte ist vorbei. Ihre Generation stirbt langsam weg. Ihre Barbarei, Unglück, Gewalttätigkeit entfernt sich von der Gegenwart wie ein brodelnder Stern und genauso entfernen sich von uns ihre Energie und ihr innerstes Verlangen nach einer wirklich menschlichen Gesellschaft, in der die anfallenden Lasten gerecht verteilt werden.

Keine Kommentare: