12.12.07

LINKSPARTEI UND KULTUR

Die Linke forderte eine "Entscheidung des Bundestages für ein Staatsziel Kultur": Zunächst löst das bei mir Empörung aus. Ich denke an diese Kuturmafia, die die linke Szene mit ihrem Selbstdarstellungsdrang und Eitelkeit beherrscht. In der Regel kommen diese Künstler aus gutem Hause oder wenn nicht, dann betreiben sie doch das Geschäft der bürgerlichen Eliten. Sie geben ihnen ein Gefühl der Überlegenheit. Die so genannte Kultur geht oft in die Verehrung von außerordentlichen Persönlichkeiten über im Verhältnis zu denen die Normalsterblichen sich als miserabel und unfähig fühlen.
Gleichzeitig, durch die Verwobenheit mit dem bürgerlichen Publikum, das sich mit ihren Leistungen ziert und über große Summen von Geld verfügt, werden hier exorbitante Gelder verdient. Es entsteht ein Preislevel, der der breiten Masse, selbst wenn sie Interesse daran hätte, Ausbildung und Praktizieren und Teilnahme an einer so genannten Kulturaktivität schwer macht.
Ein großer Teil der künstlerischen Aktivitäten besteht zudem darin, sich von den breiten Massen abzugrenzen und durch Auserlesenheit fernzuhalten. Zudem aber verfügt die bildungsbürgerliche Klasse über die öffentlichen Einnahmen und weiß die Ausgaben in ihre Richtung zu lenken und für ihre Interessen zu nutzen. Auf Kosten der Allgemeinheit werden zahllose teure esoterische Kultureinrichtungen finanziert.

Letzten Freitag konnte man in Arte die Direktübertragung aus der Scala von Wagners Tristan sehen und hören. Angesichts der Leistung von W. Meier – besonders im letzten Teil - kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Perfekt gesungen, ganz in der Musik, ohne Eitelkeit und Stargehabe. Abgesehen vom Inhalt der Oper: die Nacht und ihre Ruf zum Untergang des Bewusstseins, zum Versinken in Nacht, Schlaf und Tod, unbedingte Liebe, Verschmelzung, Auflösung des Ichs. Dargestellt durch ein düster graues Bühnenbild, Kleidung, wenige aber passende Farben. Das Orchester mit Barenboim drückt die die seelischen Vorgänge präsent und perfekt aus, ohne im Vordergrund zu sein.
Fragen über die Ambivalenz Wagners, seinen Antisemitismus etc. lasse ich hier weg. Warum etwa reduziert er „Liebe“ - vielleicht unabsichtlich? - im Liebestrank auf einen Hormoncocktail und folglich falschen Zauber? Warum ziehen seine Opern die politische Prominenz an? Köhler, Craxi, Napolitani (
Cossiga?). Der widerliche Bock Fischer führt seiner neuen Dame vor, welche fatalen Folgen ein zeitweiliger Hormonstau haben kann. Oder will er am Lebensabend von ewiger Treue, unbedingter Liebe sprechen: „Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit“ Finden sich diese Herren in der Scala ein, weil sie sich eben gerne in Kultur, Geschichte und großen Leistungen baden. Oder weil sie zwar viel beschäftigt sind, aber in Wirklichkeit selber nichts Gescheites zustandekriegen? Warum zieht Wagner die Hitlers und Merkels an? Ist es die Theatralik des großen Individuums, das tragisch zum Scheitern verurteilt ist? Ist es der Todes- und Tötungsdrang? Die Verbindung von solchem mit Elitenambiente? Würde man diese Leute auch finden bei „Wozzek“ und „Lulu“?

Diese Leistungen sind möglich durch Künstler, die durch die Welt jetten, einer Weltelite, aus sehr speziellen Familien. Begabung reicht nicht, Arbeit auch nicht. Mit Neid und gegen meine Überzeugungen verfalle ich in Bewunderung, etwa der W. Meier, ob meine Verehrung ihr oder der Musik, die sie singt, gilt. Solche Leistung ist nur möglich auf dem Hintergrund der Existenz einer privilegierten Bildungselite, großzügigen materiellen Ressourcen. Es braucht die Möglichkeit, sich materiell abgesichert zurückziehen zu können, der Konkurrenz mehrer Opernhäuser usw. Und nach der geschmäcklerischen Meinung eines Rezensenten war es doch nur „
Mittelklasse, mit einigen Glanzpunkten und den Defiziten des Wagnergesangs, die heute scheinbar auch an großen Häusern schwer zu überbrücken sind“.

Wie vereinbare ich diese meine Bewunderung mit meinem Affekt gegen die Kulturhimmelei der Linken? Ich denke, Kultur muss heruntergeschraubt werden. Die (kritische) Aneignung der traditionellen bürgerlichen Kultur ist wichtig, etwa Theater und Musik. Aber auf einer breiten Basis – nicht als Privileg. (Ich denke hier an die vielen Chöre in Kuba). Die Frage, warum „Kultur“ zum Zuschaufernsehen verkommt, müsste erörtert werden.

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