Nachdem ich 2003 diesen Job angenommen habe oder annehmen musste, war ich entschieden, meine Arbeitslaufbahn so bald wie möglich zu beenden. Durch Änderung der Gesetzeslage gezwungen, schloss ich bald darauf den Vertrag über Alterteilzeit ab. Jetzt trete ich sie an und werde also in 18 Monaten zu arbeiten aufhören und 18 Monate später in Rente gehen.
Ich gehe damit einen Weg des geringsten Einsatzes. Mit schlechtem Gewissen, wenn auch einigen Argumenten.
Zwar werde ich in der mir verbleibenden darauf folgenden Lebenszeit nicht viel erreichen, vielleicht nicht einmal Sinnvolles tun können, aber das wird immer noch mehr Bedeutung haben, als ein kleines und ersetzbares Rädchen in einer fragwürdigen Produktion zu sein.
Meine Arbeit hat wenig mit dem zu tun, was zu tun notwendig wäre. Die politischen Verhältnisse sind durch die Zersplitterung der Gesellschaft in miteinander konkurrierende Individuen so zementiert, dass eine Politisierung und Demokratisierung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse – ohne dass es nur zum Nutzen einer Elite wird – unwahrscheinlich ist.
Wie man das aus dem Blog ersehen kann, ist das eine von mir immer wieder gemachte Erfahrung, auch Selbsterfahrung. Man kann sich Gedanken machen, unter welchen Bedingungen sich das verändern könnte, welche Komplexe Sozialismus entgegenstehen, unter welchen Bedingungen eine sozialistische Bewegung möglich wäre. Die Praktiker würden einwenden, the proof of the pudding ist the eating. Oder nur bei der Veränderung werden die Verhältnisse klar. Ich dagegen bin isoliert, kommuniziere mit der „Gesellschaft“ bestenfalls über diesen Blog. Andererseits meine Ich dagegen: was möglich oder nicht möglich ist, lässt sich auch heute schon erkennen.
Derzeit laufe ich unter Urlaub und werde keiner Arbeit zugeordnet. Suche mir selber also Arbeit, schleiche durch die Fabrik auf der Suche nach Arbeiten. Verstecke mich für Denkpausen. Das Gefühl überflüssig zu sein. Wie schön wäre es doch, meine Arbeit am Band zu haben. Dort kann ich mich nützlich fühlen. Hetzen. Stapeln. Rennen.
Der Mensch ist ein sehr flexibles Wesen. Der Kapitalismus ist zwar ein krisenhafter Prozess, aber wenn die Menschen in seinen Krisen keine Alternative finden, gewinnt er aus den Krisen neue Kraft und ein neues Verwertungsfeld. Die Hoffnung auf eine Krise ist umsonst, wenn die Menschen nicht bereit sind, die Krise in ihrem Sinne zu bewältigen. So wird also die Geschichte weitergehen, ohne dass elementare Bedürfnisse des Menschen historisch bedeutsam werden: Gerechtigkeit, menschliches Zusammenleben ohne Übervorteilung oder Benachteiligung, ein verantwortliches Leben, Autonomie.
Ein Krisenelement, an dem meine Argumentation oft ansetzt, ist die Moral und die moralische Rede und Geste im Widerspruch zur Realität. Recht und Gerechtigkeit hängen damit zusammen. Aber ist das nicht ein falscher und autoritätsorientierter Ansatz? Ist es nicht typisch für Autoritären mit der Moral und gegen die Lust zu argumentieren? Führt nicht diese Moralfixierung zu dem aggressiven Krampf innerhalb der Linken, zu der Konkurrenz der Radikalität und Militanz? (Oder ist es so, dass die aggressive Lust sich moralischer Argumente bedient?) Wie lustfeindlich ist diese Argumentation für Beschränkung, Ökonomie und Ökologie?
Wie würde eine lustorientierte linke Argumentation und Politik aussehen? Es geht um die Beteiligung von allen, gelebte Solidarität, Gemeinsamkeit und Gerechtigkeit, es geht um Vernunft und gegen Zerstörung, Entfaltung des Menschen, Friede und Zusammenleben statt Konkurrenz und Krieg. Eine linke Argumentation kann sich nicht mehr an biologischen Bedürfnissen orientieren, das schafft der Kapitalismus mit seiner „Biopolitik“ besser. Abgesehen davon bedeutet Sozialismus heute Begrenzung der „biologischen“ Bedürfnisse zugunsten von sozialem Zusammenleben. Ökonomie und Vernunft bedeuten aber auch Selbstbeschränkung.
Was hat das mit der empirischen Arbeiterklasse zu tun? Sie stellt ja keine großen Ansprüche, ordnet sich den Gegebenheiten unter, beschränkt sich in ihren Forderungen auf das erreichbare Materielle (träumt nebenbei vom großen Lottoglück - für das Geschäft der Privatsender und staatlichen Lotterie). Sie ist gewissermaßen „wunschlos unglücklich“. Ihr wird ja von klein an gezeigt, dass sie kein Recht auf mehr hat, dass sie nichts bringt und nicht mehr als ihr Schicksal verdient. Übrig bleibt nur eine stumme Verbitterung, eine schweigende Abgrenzung und ein Rückzug auf das konfliktlos Erreichbare. Die Bescheidenheit, der Realismus auf der einen Seite bedingt aber eine Verantwortungslosigkeit in anderen Bereichen, wie Faschismus, internationaler Rassismus und Ökologie zeigen.
Ich werde nach der Teilzeit mein letztes Lebensdrittel anfangen. Ohne das Gefühl, etwas wirklich Positives geleistet zu haben. Meine Ressentiments und Abneigungen gegenüber dem, was läuft und gelaufen ist, sind größer als irgendwelche positiven Leistungen. Das, was hätte sein sollen, die Umdrehung der 68er Bewegung in eine positive gesellschaftliche Kraft hin zu Demokratie und Sozialismus in allen wesentlichen gesellschaftlichen Institutionen, ist misslungen. Mit den „Grünen“ wurde nur eine neue Variante des bürgerlichen Liberalismus generiert. Mir übrig geblieben ist nur eine Schwäche, eine individuelle Vernarrtheit, dann ein unbegriffener historischer Prozess, der alle solche Ideen schluckt und eine nachwachsende Generation, die dem Gedanken an Autonomie entfremdet ist durch das verlockende Angebot eines bedenkenlosen Konsumkapitalismus, sich einordnet oder darunter leidet, wenn sie nicht ein Rädchen im Getriebe sein kann.
Eigentlich angebracht wäre dann das Leben eines Kynikers, der im öffentlichen Raum die unanständigen Wahrheiten demonstriert, zu der sich die Abhängigen und um ihren Ruf besorgten nicht mehr bekennen können: die globale Ungerechtigkeit einer rassistischen Weltpolitik, die Umweltzerstörung durch den Konsumblödsinn, die Arroganz der Kulturmafia, die moralische Idiotie des Arbeitsplätze Schaffens.
Die Schweine sollten bei ihrer Schweinerei wenigstens ein schlechtes Gewissen bekommen.
Ich gehe damit einen Weg des geringsten Einsatzes. Mit schlechtem Gewissen, wenn auch einigen Argumenten.
Zwar werde ich in der mir verbleibenden darauf folgenden Lebenszeit nicht viel erreichen, vielleicht nicht einmal Sinnvolles tun können, aber das wird immer noch mehr Bedeutung haben, als ein kleines und ersetzbares Rädchen in einer fragwürdigen Produktion zu sein.
Meine Arbeit hat wenig mit dem zu tun, was zu tun notwendig wäre. Die politischen Verhältnisse sind durch die Zersplitterung der Gesellschaft in miteinander konkurrierende Individuen so zementiert, dass eine Politisierung und Demokratisierung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse – ohne dass es nur zum Nutzen einer Elite wird – unwahrscheinlich ist.
Wie man das aus dem Blog ersehen kann, ist das eine von mir immer wieder gemachte Erfahrung, auch Selbsterfahrung. Man kann sich Gedanken machen, unter welchen Bedingungen sich das verändern könnte, welche Komplexe Sozialismus entgegenstehen, unter welchen Bedingungen eine sozialistische Bewegung möglich wäre. Die Praktiker würden einwenden, the proof of the pudding ist the eating. Oder nur bei der Veränderung werden die Verhältnisse klar. Ich dagegen bin isoliert, kommuniziere mit der „Gesellschaft“ bestenfalls über diesen Blog. Andererseits meine Ich dagegen: was möglich oder nicht möglich ist, lässt sich auch heute schon erkennen.
Derzeit laufe ich unter Urlaub und werde keiner Arbeit zugeordnet. Suche mir selber also Arbeit, schleiche durch die Fabrik auf der Suche nach Arbeiten. Verstecke mich für Denkpausen. Das Gefühl überflüssig zu sein. Wie schön wäre es doch, meine Arbeit am Band zu haben. Dort kann ich mich nützlich fühlen. Hetzen. Stapeln. Rennen.
Der Mensch ist ein sehr flexibles Wesen. Der Kapitalismus ist zwar ein krisenhafter Prozess, aber wenn die Menschen in seinen Krisen keine Alternative finden, gewinnt er aus den Krisen neue Kraft und ein neues Verwertungsfeld. Die Hoffnung auf eine Krise ist umsonst, wenn die Menschen nicht bereit sind, die Krise in ihrem Sinne zu bewältigen. So wird also die Geschichte weitergehen, ohne dass elementare Bedürfnisse des Menschen historisch bedeutsam werden: Gerechtigkeit, menschliches Zusammenleben ohne Übervorteilung oder Benachteiligung, ein verantwortliches Leben, Autonomie.
Ein Krisenelement, an dem meine Argumentation oft ansetzt, ist die Moral und die moralische Rede und Geste im Widerspruch zur Realität. Recht und Gerechtigkeit hängen damit zusammen. Aber ist das nicht ein falscher und autoritätsorientierter Ansatz? Ist es nicht typisch für Autoritären mit der Moral und gegen die Lust zu argumentieren? Führt nicht diese Moralfixierung zu dem aggressiven Krampf innerhalb der Linken, zu der Konkurrenz der Radikalität und Militanz? (Oder ist es so, dass die aggressive Lust sich moralischer Argumente bedient?) Wie lustfeindlich ist diese Argumentation für Beschränkung, Ökonomie und Ökologie?
Wie würde eine lustorientierte linke Argumentation und Politik aussehen? Es geht um die Beteiligung von allen, gelebte Solidarität, Gemeinsamkeit und Gerechtigkeit, es geht um Vernunft und gegen Zerstörung, Entfaltung des Menschen, Friede und Zusammenleben statt Konkurrenz und Krieg. Eine linke Argumentation kann sich nicht mehr an biologischen Bedürfnissen orientieren, das schafft der Kapitalismus mit seiner „Biopolitik“ besser. Abgesehen davon bedeutet Sozialismus heute Begrenzung der „biologischen“ Bedürfnisse zugunsten von sozialem Zusammenleben. Ökonomie und Vernunft bedeuten aber auch Selbstbeschränkung.
Was hat das mit der empirischen Arbeiterklasse zu tun? Sie stellt ja keine großen Ansprüche, ordnet sich den Gegebenheiten unter, beschränkt sich in ihren Forderungen auf das erreichbare Materielle (träumt nebenbei vom großen Lottoglück - für das Geschäft der Privatsender und staatlichen Lotterie). Sie ist gewissermaßen „wunschlos unglücklich“. Ihr wird ja von klein an gezeigt, dass sie kein Recht auf mehr hat, dass sie nichts bringt und nicht mehr als ihr Schicksal verdient. Übrig bleibt nur eine stumme Verbitterung, eine schweigende Abgrenzung und ein Rückzug auf das konfliktlos Erreichbare. Die Bescheidenheit, der Realismus auf der einen Seite bedingt aber eine Verantwortungslosigkeit in anderen Bereichen, wie Faschismus, internationaler Rassismus und Ökologie zeigen.
Ich werde nach der Teilzeit mein letztes Lebensdrittel anfangen. Ohne das Gefühl, etwas wirklich Positives geleistet zu haben. Meine Ressentiments und Abneigungen gegenüber dem, was läuft und gelaufen ist, sind größer als irgendwelche positiven Leistungen. Das, was hätte sein sollen, die Umdrehung der 68er Bewegung in eine positive gesellschaftliche Kraft hin zu Demokratie und Sozialismus in allen wesentlichen gesellschaftlichen Institutionen, ist misslungen. Mit den „Grünen“ wurde nur eine neue Variante des bürgerlichen Liberalismus generiert. Mir übrig geblieben ist nur eine Schwäche, eine individuelle Vernarrtheit, dann ein unbegriffener historischer Prozess, der alle solche Ideen schluckt und eine nachwachsende Generation, die dem Gedanken an Autonomie entfremdet ist durch das verlockende Angebot eines bedenkenlosen Konsumkapitalismus, sich einordnet oder darunter leidet, wenn sie nicht ein Rädchen im Getriebe sein kann.
Eigentlich angebracht wäre dann das Leben eines Kynikers, der im öffentlichen Raum die unanständigen Wahrheiten demonstriert, zu der sich die Abhängigen und um ihren Ruf besorgten nicht mehr bekennen können: die globale Ungerechtigkeit einer rassistischen Weltpolitik, die Umweltzerstörung durch den Konsumblödsinn, die Arroganz der Kulturmafia, die moralische Idiotie des Arbeitsplätze Schaffens.
Die Schweine sollten bei ihrer Schweinerei wenigstens ein schlechtes Gewissen bekommen.