25.9.07

Die konsumistische Identität

In der taz von gestern gab es eine Apologie des Konsumismus. Derart: „Was immer wir tun, wir shoppen“. „Wir sind, was wir kaufen (oder eben nicht kaufen)“. „Dass wir mit den Waren, die wir konsumieren, …unser Ich … konstituieren“. „Das ‚Selbst’ ist schließlich nicht vor den Produkten da, sondern wird mit deren Hilfe erst modelliert“. Es wird auch eine Kritik am Konsumismus erwähnt, der Suchtcharakter des Shoppings – aber am Ende bleibt es: Alles ist Shopping.
Oder wie Marx im Kapital den Warenfetischimus an: „Der Reichtum der Gesellschaften … erscheint als eine ‚ungeheure Warensammlung’“. Dahinter versteckt sind die gesellschaftlichen Beziehungen in der Produktion, die Ausbeutung und Zurichtung von Mensch und Natur.
Davon will der Autor nichts wissen. Konsumieren ist Freiheit, „Selbst“, Identität, „Ich“. Die Kehrseite interessiert ihn nicht.

Ich drehe die Sache einfach um. Unsere Identität besteht im Wesentlichen daraus, was die anderen in uns sehen und wie wir auf diese Sicht zu antworten vermögen. Da ist etwa „unsere“ Schulkarriere, Berufslaufbahn, Arbeitstätigkeit, Familienstellung. Je mehr uns das nicht passt, je unbefriedigender „unser“ gesellschaftlichen und produktives Dasein, desto mehr weichen wir auf Konsum aus und benutzen die käuflichen Zeichen, um uns eine Schein- oder Fantasieidentität zu „konstituieren“.

Die Definition des Konsumismus zum universellen Lebensprinzip schließt von vorneherein eine kritische Betrachtung des Konsumismus aus: die Unfähigkeit mit den gesellschaftlichen und natürlichen Ressourcen zu haushalten; der Mangel an langfristigem Denken, das schwache Ich, das sich vom Lustprinzip beherrschen lässt, das Ignorieren von internationaler Ausbeutung und Naturzerstörung; das einsame Ich, das den Triumph von Moden und Produkten braucht, um sich Geltung zu verschaffen. Oder anders formuliert: Zu einer vernünftigen Identität gehört die rationale Aneignung der gesellschaftlichen Beziehungen, in denen wir leben und arbeiten.

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