12.8.08

Blockade

Ich bin derzeit blockiert, zähle die Tag rückwärts bis zum Ende meines Jobs. Die Überlegungen über Simbabwe nehmen mich derzeit gefangen. Die Art und Weise, wie eine zukunftsfrohe und offene Gesellschaft in nicht vorhersehbare Barbarei zerfällt, ist für mich schockierend. In dem Konflikt dort wird auch etwas über unsere Verhältnisse klar: die Bedeutung der Lohnarbeit in der gesellschaftlichen Entwicklung. Gegenüber der „Barbarei“ der feudalen Verhältnisse scheint sie fortschrittlich zu sein, obwohl sie doch genauso Barbarei impliziert; die Verödung der Welt, die Mechanisierung des Menschen zum Teil einer arbeitsteiligen Maschinerie.
Ein „feudal“ denkender Simbabwer würde sagen: Die Welt ist nicht das Resultat von Arbeit und Intelligenz, sondern ist Natur die angeeignet und erlegt werden will. Der Begriff der „Aneignung“ gehört wesentlich zu dieser Gesellschaft. In der europäischen Geschichte hatte dieser Vorgang eine anderen Namen: Lehen und Gabe. Die Erde ist eine Gabe Gottes, die von Papst und Kaiser weiter geliehen werden. Diese reichen Teile davon als Lehen nach unten weiter. Die Religiösen tun sich noch heute dadurch hervor, dass sie Dankbarkeit betonen. Jede Mahlzeit umschließt ein Dankgebet, aber keinen Dank an den Bauer oder Arbeiter, der sich dafür abgeschuftet hat.
Diese so zustanden gekommenen Eigentumsverhältnisse sind andere als solche durch Arbeit (und dann Tausch). Es kommt zu einer anderen Legitimation; der durch Gewalt, durch Übermacht, auch durch eine politische Machtposition. „Wie kann ein Wahlzettel stärker sein als ein Gewehr?“ fragt Mugabe und da trifft er sich mit Lenin und Carl Schmitt. (Carl Schmitt soll mit seiner „Theorie des Partisanen“ Dutschkes und Krahls Organisationsthesen Pate gestanden haben). In Simbabwe trifft die Bevölkerung, die Lohn verdient und in Marktkategorien denkt, auf den Widerstand der „Traditionalisten“, die nimmt, was da ist, sich um Produktion nicht kümmert – Arbeit ist die Sache von Frauen und Kindern. Recht ist Vorrecht.
In unserer Gesellschaft liegen unterhalb der marktwirtschaftlichen Beziehungen („Bezahlung nach Leistung“) diese feudal-despotischen Bereicherungs- und Ermächtigungsstrukturen, man konnte sie mehr oder weniger offener auch in den „sozialistischen“ Gesellschaftsstrukturen erkennen. Anscheinend haben sich die Herzen der Menschheit nicht von ihrer vorbürgerlichen Strukturiertheit entfernt und neigen zu charismatischen Idealisierungen wie jüngst bei Obama oder brutaler Raffgier wie unter den Nazis oder legalisierter Bereicherung heute, wenn es das Pöstchen erlaubt. Adorno meint glaub ich irgendwo, das moderne Individuum neige dazu - da ständig unter dem Druck von Schuld und aggressiven Trieben – zu zerfallen, sei es unter Alkohol oder einer Identifizierung mit einer starken Masse, so als werde es wieder zurück zu einem „Naturzustand“ gezogen. Das Korrelat einer öffentlichen Barbarei ist der Rückzug der Individuen auf ihr Eigentum, ihr „Selbst“.
Der Kern des „Selbst“ ist aber nicht ein individuelles besitzbares Ding, sondern eine (vorübergehende) Kongruenz von gesellschaftlicher Erwartung und individueller Motivation.

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