- Übergreifender Grund liegt in der Wertabstraktion durch das Geld. Dabei wird die gesellschaftliche Arbeit als abstrakte Größe dargestellt, die ihre Beziehung zur Produktion nicht mehr erkennen lässt. Als Geldfetisch scheint es unabhängig über der Produktion von Waren zu schweben, ja diese sogar als Verwertungsstimulus zu dominieren und in Gang zu setzen. Finanzsystem und produktiver Sektor scheinen auseinander zu fallen, sich verselbständigen zu können. In den Krisen, nämlich dann wenn Geld nicht wieder in Ware, also reelle Gebrauchswerte, umgetauscht werden soll, bricht der Schein des Geldfetischs zusammen. Auch der Schein, dass das Geld durch den Zins selbst produktiv sein könne.
Ursachen der jetzigen Krise sind mehrere: - - es gibt zuviel Liquidität durch: überteuerte Produkte, hohe Gewinne, mangelnde Konkurrenz, Monopole, Managergehälter, Gelder durch Ölgewinne ohne Produktion, Kapitalisierung der Renten und Pensionen –
- dann auf dem Finanzmarkt durch Derivatsysteme aufgeblähte Geldmenge, aufgeblähter Geldverleih ohne adäquate reale Gegenleistung in der Gegenwart.
- das Derivatsystem verschiebt die Produktionsverpflichtung, die durch die Verschuldung eingegangen wird, immer mehr in die Zukunft, der Gewinn eilt sozusagen der Zeit voraus. Durch die Optionen auf langfristig erwartbare Profite, Wetten auf die Zukunft wird scheinbar die Zirkulation beschleunigt, aber ohne dass der Umschlag im produktiven Sektor genauso schnell erfolgt.
- wachsende Liquidität durch zu niedrige Zinsen. In den USA sollten die niedrigen Zinsen die Konjunktur beleben, die Klassen- und Einkommensunterschiede verschleiern. Weltweit gibt es infolge der keynesianischen Politik eine Verschuldung ganzer Volkswirtschaften. Die USA betreiben diese keynesianische Politik mit ihren Kriegen. Die dadurch verursachte Verschuldung muss jetzt international bezahlt werden.
- im Verhältnis zur angewachsenen Liquidität gibt es nicht genügend profitable Anlagemöglichkeiten in der Produktion, hier wirkt der tendenzielle Fall der Profitrate
- steigende Energiekosten schränken die Profitabilität der Produktion ein, die erwarteten Zinsen können nicht realisiert werden, peak oil macht sich bemerkbar
- genauso schränken steigende Sozialkosten die Profite ein, erhöhen die Kosten der Produktion. Sozialkosten werden verursacht durch Arbeitslosigkeit, Krankheitssektor, Erziehung und Bildung, Rente und Pflege. Dazu gehören auch die Kosten einer teuren Mittelklasse, die notwendig ist, um zwischen herrschender und arbeitender Klasse zu vermitteln, eine Scheinwelt des Individualismus vorzuspielen, den Schein von Demokratie, die Aufrechterhaltung von bürgerlichen Motivationen und Orientierungen. - Eine permanente Inflation bedingt durch Staatsverschuldung (deficit spending) zwingt zur ständigen Suchen nach profitablen Anlagen. Eine grundlegende ökonomische Unsicherheit für alle Schichten bewirkt einen Hang nach Sicherheit: Sparen für die Zukunft. Diese Sparsamkeit zerreißt aber gerade den Zusammenhang zwischen Produktion und Konsumtion, zwischen Geld und Ware. Ökonomien, die wie ökologisch auch immer brutal destruktiv oder nachhaltig, den Kreislauf zwischen Produktion und Konsumtion kurz halten, sind weniger gefährdet. In Spanien etwa wird wenig gespart, die Hypothekenlast ist immens. Der Zustand ist (sehr!) labil, aber solange die Menschen arbeiten und ackern, um ihre Schulden zu bedienen, boomt die Wirtschaft. Die Verschuldung ist ein notwendiger Stimulus der kapitalistischen Wirtschaft und wirkt politischer effizienter als Normenerhöhung, Jahrespläne, Zwangsbewirtschaftung wie in den ehemals „sozialistischen“ Ländern. Die Individuen dürfen von einem kleinen Vorteil träumen und spüren nicht, wie sie durch den Verwertungszwang des Kapitals angepeitscht werden.
Welche Lösungen gibt es für die Kreditkrise?
- Kapitalistische und kurzfristige wirkende staatliche Intervention:
Geldmengen mit Warenmengen durch Staatsverschuldung, also Inflation und höhere Steuern, in Übereinstimmung bringen. Abzahlen der faulen Kredite und Gewinne durch die Arbeiterklasse. Der Kapitalismus wird sich auf einem primitiveren Lebensniveau reproduzieren. Die Aneignung von Mehrwert und die Klassenverhältnisse werden wie auch immer krisenhaft fortgesetzt.
- Staatskapitalistische und staatssozialistische Lösungen
Begrenzung der Liquidität durch Begrenzung von Gewinnen und Spitzengehältern, Kontrolle der Gewinne aus dem Energiehandel.
Regulierung der Konvertibilität, Abkoppelung von Öl und internationalen Märkten (Integration nur bei möglicher sozialer Kontrolle der Märkte).
Sicherung der Zukunftserwartungen bei Renten durch Grundeinkommen und Arbeitsgarantie statt durch Konsumzurückhaltung und Sparen.
Disproportionalitäten zwischen Sektoren verhindern: produktiv – konsumtiv, „sozial“ – produktiv etwa Arbeitszeitverteilung, Abbau der Mittelklasse durch Bildung, „demokratische“ Betriebsstrukturen, Beteiligung durch Politisierung, integrierende Erziehung statt selektierender und desintegrierender.
- Sozialistische:
Sind eigentlich keine absehbar. Es gibt keine autonomen Produktions- und Lebensgenossenschaften. Sie bleiben Gedankenmodelle, sind bestenfalls im Randbereich von Kommunen, Sekten, im privaten Bereich (Gärtnern, nachhaltiges Wirtschaften, ökologisches Verkehrs- und Verbraucherverhalten) als mehr oder weniger fantasiegebundene Spielchen möglich.
Weiterhin mögliche bleibt eine moralische Kritik, die sich an Kriterien einer Basisdemokratie, des Werts der Arbeit, der Ökologie orientiert, die aufklärt über die Beziehungen zwischen Ressourcen, Bedürfnissen und kapitalistischer Produktion.
Ganz groß tönt jetzt Kurz; er hat es ja immer schon gewusst. Um Alternativen braucht er sich nicht zu bemühen. Angesichts der Aussichtslosigkeit, dass Alternativen jenseits von Kapitalismus überhaupt andiskutiert werden, ist das ja nicht unclever. Er würde sich ja selber sofort schwach und angreifbar zeigen, würde er wie auch immer leise einen Vorschlag machen. Das ist aber das Problem der Marxisten: sie wollen genauso unangreifbar und stark aussehen wie die herrschende Meute. Sie sind eben durch und durch bürgerlich. Von ihnen ist nichts zu erwarten. Kein Wunder, dass die Diskutanten dann abdrehen mit dem Gedanken, dass aus der Ecke auch nichts zu erwarten ist. – Wenn Kurz sagt:
„Erforderlich wäre eine autonome soziale
Gegenbewegung jenseits des nationalen Rahmens, die sich die Lebensinteressen
nicht von den Krisenverwaltern ausreden lässt, und die jede soziale,
geschlechtliche, ethnische oder "rassische" Ausgrenzung radikal negiert.“
(Telepolis)
so ist das so nichtssagend wie die Predigt eines Pfarrers über Gnade und Heilserwartung. Und wie in der Kirche mündet es in eine gläubige Gemeinde, die brav Sprüche nachbetet und sich um praktische Konsequenzen nicht mehr kümmert. Die einzige Praxis, die daraus folgt, ist zur Gemeinde dazuzugehören oder nicht. Das wurde ja bei den diversen linken Parteien in aller Brutalität durchgespielt.
Falsch halte ich ohnehin, dass eine Krise den Kapitalismus allein zerbrechen kann. Er wird sich auf einem einfachen Niveau wieder reproduzieren. Wie nach dem zweiten Weltkrieg. Zwar mögen die Leute hungern, aber das wird sie motivieren, umso mehr zu schuften. Ohne Öl wird es wieder genug Arbeit geben und damit profitable Anlagemöglichkeiten. Man kann einwenden, dass das politische System an die Garantie eines gewissen Wohlstandsniveau gebunden ist und wenn das nicht erreicht wird, ein Umdenken stattfindet – so wie jetzt die Forderung nach Verstaatlichung der Banken überhaupt nicht mehr lächerlich ist. Aber auch wenn die Mittelklasse – Politiker, Journalisten, Kultureliten etc. – umdenkt, um sich als führende Klasse zu erhalten, so werden auch in einem Staatskapitalismus die Klassenverhältnisse als solche erhalten bleiben